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Trotz jahrelanger Proteste wurde die EU-Biopatentrichtlinie in Österreich umgesetzt.Ihre möglichen Konsequenzen sind heftig umstritten. von klaus faissner

Was vor Jahrzehnten noch als schlechter Witz eines schwarz sehenden Utopisten aufgefasst worden wäre, wird weltweit immer mehr zur Realität: Pflanzen, Tiere, Gene und Teile des menschlichen Körpers als patentierbare Erfindungen? "Es hat sich ja auch niemand die Entdeckung Australiens patentieren lassen können", empört sich Alfred Haiger, langjähriger Vorstand des Institutes für Nutztierwissenschaften an der Boku Wien, einer der vielen, die über die plötzliche Vermischung von Erfindung und Entdeckung den Kopf schütteln.

Welche Auswüchse die Patentierung von Leben mit sich bringen kann, wurde durch den Fall Percy Schmeiser vor Augen geführt: 1998 wurde der kanadische Bauer von Monsanto verklagt, weil der Gentechnikkonzern im Graben neben einem seiner Rapsfelder gentechnisch veränderte Pflanzen mit den von Monsanto eingefügten Genen gefunden hatte. Schmeiser wurde vorgeworfen, den Monsanto-Raps ohne Lizenz angebaut und dadurch gegen das Patent von Monsanto verstoßen zu haben. Der Rapsbauer dementierte und erzählte in hunderten Vorträgen, wie leicht genmanipulierter Raps auskreuzen kann, wie er seine gesamte Ernte an Monsanto verlor und dass ihm gerichtlich verboten wurde, das eigene Saatgut weiterzuverwenden. 50 Jahre Entwicklungs- und Züchtungsarbeit sei damit vernichtet worden, lautete sein bitteres privates Resümee, dem er eine Warnung hinzufügte: "Man versucht, die Kontrolle über das gesamte Saatgut weltweit zu erlangen, und wem immer das gelingt, wird das Nahrungsangebot kontrollieren." Nach einem jahrelangen Rechtsstreit erklärte schließlich der Oberste Kanadische Gerichtshof Monsantos Patent für rechtsgültig und damit für einklagbar. Allerdings wurde Schmeiser gleichzeitig freigesprochen, Zahlungen an Monsanto leisten zu müssen. Die Entscheidung des Gerichts zugunsten der Patentierbarkeit von Leben löst bei gentechnikfrei wirtschaftenden Bauern - insbesondere bei Biobauern - Horrorvisionen aus, würden sie doch doppelt bestraft: Wenn ihre Pflanzen gentechnisch verschmutzt werden, geht ihnen ein beträchtlicher Teil des Verkaufserlöses verloren, und wenn sie von diesen Pflanzen Samen gewinnen und diese wieder ausbringen, müssten sie auch noch Gebühren an den Gentechnikkonzern zahlen.

50 Jahre Arbeit umsonst

Zumindest diese Gefahr der "Lizenzzahlungen aus Zufall" sollte im nun vom Nationalrat abgeänderten Patentgesetz, in dem die eu-Biopatentrichtlinie umgesetzt wurde, gebannt sein. Niedergeschrieben ist hier aber, dass der Schutz eines Patentes auch für biologisches Material gilt, das durch Vermehrung gewonnen wurde. Lediglich die Verwendung von Saatgut und Pflanzgut in der Landwirtschaft per se ist nicht patentiert, wohl aber die Wiederverwendung in den folgenden Generationen. Das heißt, dass der Eigen-Nachbau genmanipulierter Saaten (so sie eines Tages in Österreich freigesetzt werden) für Bauern zusätzlich lizenzpflichtig wird, wobei diese Regelung bei "Kleinlandwirten" mit weniger als 17 Hektar nicht exekutiert wird. Ebenso betroffen wären Bauern, die eines Tages mit genmanipulierten Nutztieren - deren Entwicklung die Wissenschaft allerdings vor erhebliche Probleme stellt - zu tun haben werden.

Tiefe Einschnitte dürfte das neue Patentgesetz auch für die Pflanzenzüchtung bedeuten. Zwar ist die klassische - gentechnikfreie - Züchtung nicht patentierbar, aber es besteht die reelle Gefahr, dass Konzerne sinnlos synthetische Gene in Hochertragssorten einbauen, um diese patentieren zu können. Auch wird das so genannte Züchterprivileg ausgehebelt, das jedem Züchter garantiert, eine beliebige Pflanzensorte lizenzfrei zur Weiterzucht verwenden zu dürfen.

Breiter Widerstand

Wie umstritten diese eu-Richtlinie ist, zeigt die Tatsache, dass sie bereits 1998 von den eu-Gremien verabschiedet wurde, die Umsetzung, die bis spätestens Mitte 2000 hätte erfolgen sollen, sich aber in so gut wie allen Ländern aufgrund heftiger Proteste verzögerte. In Österreich bildete sich in den vergangenen Monaten sogar eine der größten Plattformen in der Geschichte der zweiten Republik: Mehr als 120 Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Kirche, Menschenrechte und Globalisierungskritik machten gegen "Patente auf Leben" mobil, um den verantwortlichen Politikern die möglichen Folgen aufzuzeigen. In einem Appell versuchten sie deutlich zu machen, dass "der Mensch weder den Menschen, noch Tiere, Pflanzen oder deren Bestandteile erfunden hat und diese deshalb auch nicht patentiert werden können". Die Artenvielfalt sei als Geschenk der Natur und Ergebnis agrarkultureller Leistungen vieler Generationen von Bäuerinnen und Bauern zu betrachten. Da die Rechte der Tier- und Pflanzenzüchter ausreichend seien, müssten alle Versuche, das für technische Erfindungen geltende Patentrecht auf Menschen, Tiere, Pflanzen oder deren Bestandteile wie Gene auszuweiten, verhindert werden, hieß es weiter. Gefordert wurde von den Abgeordneten neben der Nicht-Umsetzung, sich für eine Neuverhandlung der Biopatentrichtline auf eu-Ebene stark zu machen.

Klage des EuGH

Dies kam für die Parteien der Regierungskoalition jedoch nicht mehr in Frage. övp-Klubobmann Wilhelm Molterer nannte in Reaktion auf den Appell mehrere Gründe für das neue Patentgesetz: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2004 gegen Österreich wegen Nichtumsetzung der Biopatentrichtlinie, die Sicherung des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes, die Zustimmung der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt unter Leitung von Johannes Huber von der Universitäts-Frauenklinik Wien und die Klarstellung im Patentgesetz, dass "nicht eine gesamte Pflanze oder ein Tier patentierbar ist". Es stimmt zwar, dass für Pflanzensorten und Tierrassen keine Patente erteilt werden dürfen, was Molterer jedoch nicht erwähnte, ist der Umstand, dass Patente sehr wohl erteilt werden, "wenn die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist". Schlussendlich betont der övp-Klubobmann, dass "immer nur Erfindungen patentiert werden können" und erst so die "Erfindung öffentlich und damit auch für andere Forscher zugänglich gemacht" werden könne.

Medizinischer Rückschritt

Der Behauptung, mit der Patentierung von Leben dem wissenschaftlichen Fortschritt zu dienen, trat insbesondere Otmar Kloiber, Generalsekretär des Weltärztebundes, vehement entgegen: Um neue Erkenntnisse schnell und sicher allen Patienten zugute kommen zu lassen, müsse wissenschaftlicher Fortschritt sofort kommuniziert und durch andere Wissenschaftler überprüft werden, erklärte Kloiber im "Rheinischen Ärzteblatt 6/2003". Doch mit der Patentierung von Entdeckungen, die als "Erfindungen" getarnt werden, sei dem ein jähes Ende gesetzt: "Da der Wissenschaftler nicht weiß, welche seiner Ideen einmal zum Patent werden könnte, muss er zwangsläufig alles in die Schublade legen. Die bisherige Tradition, auch Zwischenergebnisse und negative Beobachtungen auf Kongressen zu besprechen und zu publizieren, wird massiv behindert. Experimente am Menschen oder an Tieren werden wiederholt, ohne dass dies aus wissenschaftlichen Gründen notwendig wäre. Patente werden so unnötig zur Gefahr für den Menschen oder zur Qual für Versuchstiere. Sie behindern die medizinische Forschung und verzögern dadurch die Entwicklung von Innovationen." Es komme zu einer "Kommerzialisierung der medizinischen Forschungs- und Arbeitsprozesse".

Saatgutmonopol?

Klar ist, dass mit der Umsetzung der eu-Biopatentrichtlinie die Forderung "Kein Patent auf Leben" des erfolgreichen "Gentechnik-Volksbegehrens" von 1997 von den Volksvertretern missachtet wurde. Ziel dürfte es sein, mit der Umsetzung der Biopatentrichtlinie in allen eu-Ländern das europäische Patentübereinkommen so zu ändern, dass die bereits seit Jahren praktizierte Erteilung von Patenten auf Leben durch das Europäische Patentamt in München auf rechtlich sichere Beine gestellt wird. Das würde für die Agrochemiekonzerne auch die Voraussetzungen schaffen, mit der Gentechnik in der Landwirtschaft erfolgreich zu sein, wie Walter Haefeker, Vorstand des Deutschen Berufsimkerbundes, im von Manfred Grössler herausgegebenen Buch "Gefahr Gentechnik" beschreibt: "Mit der Patentierung erfolgt die Umstellung des Geschäftsmodells beim Saatgut vom Verkauf von Produkten hin zur Vergabe von Lizenzen. Diese Lizenzen erlauben es, ein Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen, das wiederum von den Finanzmärkten hoch bewertet wird. Wenn ein Biotechkonzern nachweisen kann, dass er sein Geschäftsmodell erfolgreich von Produktverkauf auf Lizenzierung umgestellt hat, erhöht sich der Marktwert des Unternehmens dramatisch. Die Firma, die diesen Sprung zuerst schafft, wird durch den hohen Kurswert ihrer Aktien in der Lage sein, die Nachzügler zu schlucken. Bei dem Kampf um Shareholder Value' lässt man nichts unversucht - und um dieses Rennen geht es wirklich."

Buchtipp:

Gefahr Gentechnik -

Irrweg und Ausweg

Herausgeben von Manfred Grössler Concord-Verlag, Wien 2005

368 Seiten, e 24,90

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