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Fragwürdiger Triumph über die Natur

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Erstmals gelang es Wissenschaftern einer kleinen Biotech-Firma in Schottland, die Fortpflanzungstechnik von Körperzellen eines Säugetieres (des Schafes Dolly) erfolgreich anzuwenden. Dieser „Triumph des Menschen über die Natur” wird in der Fachwelt als nobelpreisverdächtiger Durchbruch gefeiert. Den „aufgeregten Laien” wird im gleichen Atemzug versichert, daß es bei der ganzen Versuchsserie in 6.296 übrigen Fällen zu keinem Erfolg geführt habe. Dies wohl zur Beruhigung der Gemüter, daß die Klonung nicht in absehbarer Zeit zu einer Standardmethode der Schafzucht werden wird, und kein verantwortungsbewußter Wissenschafter eine Methode mit so hoher Fehlerquote beim Menschen anwenden würde.

Dem sei allerdings entgegengehalten, daß der Mensch mit den ersten „Flugapparaten” auch nur einige Hundertmetersprünge gemacht hat und etwa 50 Jahre später der Zweite Weltkrieg mit Flugzeugen entschieden wurde. Die technische Perfektionierung einer Erfindung ist daher wohl nur eine Frage des Geldes und der Zeit, wenn daran ein entsprechendes Interesse (Gewinnaussicht = Profit) besteht. (Was wäre wohl einem sterblichen Milliardär eine „Technik” wert, wenn es damit gelänge, sich potentiell unsterblich zu machen?)

Kaum war Dolly der Öffentlichkeit vorgestellt, haben sich die „Gentechniker” beeilt festzustellen, daß die

Klonierung nur eine spezielle Bepro-duktionstechnik sei, jedoch mit der -inzwischen ins Schußfeld der öffentlichen Kritik geratenen - Gentechnik nichts zu tun habe.

Dem ist selbstverständlich nicht so. Die Klonung transgener Organismen wäre vielmehr die ideale Fortpflanzungstechnik, da es dabei zu keiner Aufspaltung in den Folgegenerationen kommt, wie dies bei der normalen (geschlechtlichen) Fortpflanzung von Säugetieren der Fall ist.

Die breite Anwendung der Klonierung in der landwirtschaftlichen Nutztierzucht hätte aber auch eine zusätzliche Verengung der genetischen Vielfalt zur Folge. Man würde versuchen, von wenigen Höchstleistungstieren möglichst viele „Kopien” zu machen und diese wieder über die künstliche Besamung möglichst intensiv zu nutzen. Zusätzlich würde sich durch diese Methode auch eine starke Uniformierung der weiblichen Zuchtpopulation ergeben. Da aber jedes Säugetier unter rund 100.000 Erbanlagen auch drei bis fünf Gene hat, die im reinerbigen (homozygoten) Zustand tödlich sind, würden solche Erbanlagen unverhältnismäßig stark vermehrt. Was in späteren Generationen für eine ganze Population verheerende Folgen haben könnte.

Will man sich vom Tun und Lassen der menschlichen Gesellschaft ein Bild machen, dann ist es meist zielführend, sich die Frage zu stellen, wem es nützt (cui bono?). Auf jeden Fall einigen multinationalen Konzernen und den von ihnen mit Forschungsaufträgen geförderten Wissenschaftern. Die notwendigen Investitionen (Arbeitsmarktproblematik) werden jedoch nur dann getätigt, wenn für die „Nutzung” ein patentrechtlicher Schutz gegeben wird. Auf eine in Millionen Jahren entstandene Tierart mit vielen tausend verschiedenen Erbanlagen wird ein einziges „Genkon-strukt” übertragen, das „Ergebnis” geklont und patentrechtlich geschützt. Damit wird ein Teil des Lebens (der Schöpfung) einem gewinnmaximie-renden Konzern zur alleinigen kommerziellen Ausbeutung überlassen. Schließlich ist zu fragen, leiden wir an Mangel? Nein. Auch mit den herkömmlichen Zuchtmethoden der Selektion und Kreuzung wurden äußerst leistungsfähige Nutztierrassen für die Milch-, Fleisch-, Eier- und Wollerzeugung gezüchtet. Wo allerdings die Leistungszucht einseitig auf Kosten von Fruchtbarkeit und Lebenskraft überzogen wurde, ging entweder die Nutzungsdauer zurück oder hat sich die „Produktqualität”, wie beispielsweise bei Schweine- und Geflügelfleisch, drastisch verschlechtert. Zur Behebung dieser unerwünschten Folgen bedarf es jedoch keiner neuen Techniken im Sinn einer „Genreparatur”, sondern der Bückkehr zu einem ganzheitlichen Zuchtziel. Denn verantwortliches Züchten heißt in Generationen denken und wirtschaftliche Wünsche nur soweit berücksichtigen als Fruchtbarkeit und I jebenskraft der Tiere nicht geschädigt werden.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß durch Klonung Kopien von bereits Vorhandenem entstehen (Einfalt), bei geschlechtlicher Fortpflanzung jedoch durch Bekombinati-on immer neue, einmalige Lebewesen entstehen (Vielfalt).

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