Patent-Junkies auf Entzug

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Die umstrittene EU-Richtlinie über Softwarepatente ist in eine Neue Runde gegangen, aber die Fronten sind verhärtet.

Wer mit dem Gedanken spielt, sich einen Internet Shop zuzulegen, ist gut damit beraten, einen Blick ins "Gruselkabinett der europäischen Softwarepatente" des ffii (Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur) zu werfen, um sich mögliche zukünftige Lizenzforderungen vor Augen zu halten. Will man zum Beispiel seinen virtuellen Laden so programmieren, dass der Kunde die gewünschten Produkte mit einem elektronischen Einkaufswagen sammeln und anschließend mit Hilfe einer Kreditkarte zahlen kann, oder dass ein Geschenk auch an Dritte auslieferbar ist, hat man auf einen Schlag gleich gegen drei geltende Patente verstoßen.

Diffuse Rechtslage

Ob und in welchem Land derlei Patente auf computerimplementierte Erfindungen, alias Software, allerdings tatsächlich geltend gemacht werden können, ist angesichts der derzeitigen Rechtslage in der eu keineswegs sicher. Erklärtes Ziel der äußerst umstrittenen eu-Richtlinie, die am Montag vergangener Woche von den für Wettbewerb zuständigen Ministern beschlossen wurde, ist eben die Harmonisierung der Patentrechte in diesem Bereich. Man befürchte sonst, dass wegen des Fehlens einheitlicher Rechtsvorschriften innerhalb der eu die Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum leiden könnten. Um Anreize für Investitionen und Innovationen zu schaffen, sei der rechtliche Schutz durch Patente unbedingt erforderlich, so lautet zumindest der Tenor der Befürworter der Richtlinie. Und sie haben äußerst einflussreiche Unterstützung von niemand geringerem als Bill Gates, der, um in der teils sehr gespaltenen europäischen Politik für die Durchsetzung der Direktive zu werben, persönlich durch Europa tourte.

Angesichts der Tatsache, dass immer mehr technische Erfindungen von Software gesteuerte Komponenten aufweisen und so eine früher unbekannte Schnittstelle zwischen reiner Software und Technik entsteht, ist die Debatte rund um die Patentfähigkeit von Software nicht einfach vom Tisch zu wischen. Die eigentliche Problematik, die sich aus der Debatte herauskristallisiert, ist zunächst die Frage, wo man den Patentschutz ansetzt: nur bei der technischen Umsetzung von Erfindungen, bei der spezifischen Anwendung der Software oder bei der reinen Basis Software.

Gefahr: Trivialpatente

Auch wenn Befürworter von Softwarepatenten, die hauptsächlich unter Patentanwälten, Patentämtern und größeren Softwarekonzernen zu finden sind, darauf verweisen, dass gemäß der Richtlinie ein "Computerprogramm als solches" keine patentierbare Erfindung darstellt, so bemängeln Kritiker, dass der Text zu schwammig formuliert ist. Vorschläge des Parlaments, die darauf abgezielt hatten, Kriterien wie den nötige technische Beitrag einer patentfähigen computerimplementierten Erfindung eindeutiger herauszuarbeiten, sind im vom Rat abgesegneten Text nicht mehr zu finden. "Die Formulierungen haben keinerlei regulativen Zweck", meint Hartmut Pilch, Vorsitzender der ffii. "Sie zielen nur darauf ab, die Politiker, die unterzeichnen sollen, über den Tisch zu ziehen." Mangelnde Präzision bei der Definition öffnet der Auslegung durch Patentanwälte Tür und Tor. Die Folgen könnten Trivialpatente wie das berühmt-berüchtigte Patent auf den Statusbalken sein oder gar die Patentierung von Algorithmen und mathematischen Formeln. So hat auch die ungenaue und lockere Handhabung des Patentrechts in den usa zur Patentierung immer einfacherer Algorithmen und immer kleineren Softwaremodulen geführt, was wiederum die Gefahr für Entwickler in die Höhe treibt, unwissentlich Patente zu verletzten.

Strategische Nutzung

Bedenken gegenüber Softwarepatenten kommen auch noch aus einer anderen Richtung. Hans-Werner Müller, Generalsekretär der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (ueapme), bezeichnet die aktuelle Version der Richtlinie als schädlich für kleine und mittlere Unternehmen, da sie die Monopolisierung im Software-Sektor noch vorantreiben würde. Ob diese Betriebe überhaupt am "großen Spiel der Patente" teilnehmen werden können, ist angesichts der mit der Patentierung verbundenen nicht unbeträchtlichen Kosten keineswegs selbstverständlich. Abgesehen von der Patentanmeldung muss, wenn die nötigen juristischen Kenntnisse in einer Firma nicht vorhanden sind, ein Patentanwalt beauftragt werden, um den Antrag überhaupt vorzubereiten. Auch die Überprüfung der Patentfähigkeit der Erfindung ist kostenpflichtig, ganz zu schweigen von den jährlich steigenden Patentgebühren. Vor allem aber die lahrelangen Patent-Prozesse nach us-amerikanischem Vorbild würden für so manches Unternehmen den finanziellen Ruin bedeuten. Die Softwarepatent-Praxis in den usa zeigt auch, dass Patente in diesem Bereich weniger als Schutz einer Erfindung dienen, sondern vielmehr aus strategischen Überlegungen angehäuft werden: zur Marktabschottung, als Tauschgut oder Druckmittel bei Patentstreitigkeiten. Diese Firmen seien dermaßen an die Patentpraxis gewöhnt, dass sie sich die Branche ohne sie gar nicht vorstellen können, so Hartmut Pilch: "Sie sind regelrechte Patent-Junkies".

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