Wider die Weisheit der Natur

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Das neue österreichische Gentechnikgesetz berücksichtigt zu wenig die Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft, sagt der Biotechnologe Anton Moser. Ihm fehlt eine entsprechende Ethik, in diesem Fall: eine "Gen-Ethik".

Das neue österreichische Gentechnikgesetz ist in Kraft. Mit ihm wird der Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) geregelt und somit unter bestimmten Bedingungen auch erlaubt. Während im Gesetzwerdungsprozess im vergangenen Jahr immer wieder heftig über die Inhalte des Gesetzes debattiert wurde, stellte nie jemand die Notwendigkeit des Gesetzes in Frage. Was auf den ersten Blick durchaus verwunderlich ist, schienen doch alle mit dem bis dahin geltenden Status quo des Gentechnik-Anbauverbotes zufrieden zu sein. Auf den zweiten Blick wird die Vorgangsweise etwas klarer: Österreich war laut EU-Recht verpflichtet, die im Jahr 2001 beschlossene EU-Freisetzungsrichtlinie umzusetzen, was hiermit geschah.

Dennoch wird am Nachgeben gegenüber der EU scharfe Kritik geübt: Für den Umweltanwalt des Landes Steiermark, Alois Oswald, handelt es sich in Bezug auf den Umweltschutz und die Gesundheitsvorsorge um ein "Scheingesetz". Aufgrund der vielen inzwischen bekannten Risiken könne er nicht verstehen, warum die verantwortlichen Gesetzgeber der Gentechnik in der Landwirtschaft grundsätzlich grünes Licht geben konnten. Gerade das Gentechnikgesetz widerspreche dem Bekenntnis der Republik zum umfassenden Umweltschutz, das bereits 1984 in den Verfassungsrang gehoben wurde und das in jedem Gesetz berücksichtigt werden müsste.

Einzelkämpfer OÖ

"Es geht doch um die Gesundheit sowie um den vorsorgenden Umwelt- und Naturschutz. Für dieses hohe Ziel sind alle legistischen Möglichkeiten bestmöglich im Interesse des höchsten Schutzgutes, das die Gesellschaft zu verteidigen hat, zu nutzen; auch ein gewisser Ungehorsam' gegenüber den europäischen Instanzen ist dafür in Kauf zu nehmen", meint der Umweltanwalt. Wenn es den Politikern mit der Gentechnikfreiheit wirklich ernst gewesen wäre, hätten sie seiner Meinung ganz anders agieren müssen: "Der Bund kann mit den Bundesländern eine 15a-Vereinbarung schließen - einen innerösterreichischen Staatsvertrag -, mit der eine einheitliche Vorgangsweise gegen die Freisetzung von GVO festgelegt wird. Doch das wurde nie in Erwägung gezogen", kritisiert Oswald. So hätte der Bund die Chance gehabt ähnlich entschlossen vorzugehen wie das Land Oberösterreich, um alle nur erdenklichen Möglichkeiten auszureizen.

Das Land Oberösterreich ist auch das bisher einzige Bundesland, das sich nicht mit "Schein-Gentechnikgesetzen" zufrieden gibt, sondern mit allen Mitteln für ein - auf vorläufig drei Jahre befristetes - Gentechnik-Verbotsgesetz für den Anbau kämpft. Nachdem dieses von der EU-Kommission aber nicht genehmigt wurde, hat das Land gegen diesen EU-Entscheid Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingelegt und fordert das Selbstbestimmungsrecht der Regionen ein. Und sollte der EuGH gegen Oberösterreich entscheiden, sei immer noch ein Umschwenken auf ein EUkonformes "Gentechnik-Vorsorgegesetz" möglich, wie Agrarlandesrat Josef Stockinger betont: Dann müsste man auf hohe Genehmigungshürden statt eines Verbotes setzen.

Für ein formales - vorläufiges - Freisetzungsverbot von genmanipulierten Pflanzen plädiert auch Anton Moser. Bei Moser würde man eine solche Haltung aufgrund seiner beruflichen Herkunft nicht vermuten: Er war bis 2001 Vorstand am Institut für Biotechnologie an der TU Graz. Seither ist er im (Un-)Ruhestand und nützt diesen, um im Rahmen der Antigentechnik-Plattform "Pro Leben" Vorträge zu halten und um anhand der Gentechnik in der Landwirtschaft aufzuzeigen, woran es vor allem in der westlichen Welt fehlt: an einer Ethik für die Natur. Während die Wissenschaft immer danach fragt, was machbar ist, muss laut Moser bei einer Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis immer die Gesellschaft mitreden. "Die Anwendung ist nämlich immer eine Frage der Ethik", stellt sich Moser klar auf die Seite der Bevölkerung und verweist auf ein großes Vorbild: Norwegen. Hier entstand Mitte der 90er Jahre aufgrund der Entscheidung einer von der Regierung eingesetzten "Laien-Konsens-Konferenz", die sich aus 16 Personen aller sozialen Schichten zusammensetzte, eines der strengsten Gentechnikgesetze der Welt. Zentraler Punkt dabei ist die Vorsorge. "Gesetze ohne tragende Ethik im Hintergrund sind nicht ausreichend im Hinblick auf die Gefahren, die die Agrar-Gentechnik mit sich bringt", ist für Moser dementsprechend klar.

Diese Gefahren sind für Moser vielfältig, würden aber beispielsweise durch mehrere falsche wissenschaftliche Annahmen verschleiert, wie zum Beispiel, dass Gene wie Legosteine handzuhaben seien und die Übertragung auf artfremde Organismen problemlos sei: "Das Gegenteil ist der Fall, ein derartiger Gentransfer ist besonders risikoreich, noch dazu, wo kaum Erfahrungen über die Auswirkungen vorhanden sind", erklärt Moser.

Wandel zum Gen-Paulus

In diesem Zusammenhang verweist Moser auf den hessischen Landwirt Gottfried Glöckner: Dieser war einer der ersten "Gentechnik-Bauern" Deutschlands und verfütterte den selbst kultivierten Bt-176-Genmais von Syngenta an seine Kühe. Nach zweieinhalb Jahren traten Anfang 2001 die ersten Krankheitsfälle auf, wenige Monate später starben die ersten fünf Tiere und Mitte Dezember 2004 hatte er seine gesamte, ursprünglich aus 70 Tieren bestehende, Herde verloren. Der einstige begeisterte Anwender der Gentechnik ist sich nach jahrelangem Kampf und nach vielen Untersuchungsergebnissen sicher, dass das Gift im Genmais schuld daran ist.

Weiters schließt sich Moser der Meinung Oberösterreichs an, dass speziell in einer kleinräumig strukturierten Landwirtschaft ein Nebeneinander von traditioneller und GVO-Landwirtschaft ("Koexistenz") nicht möglich ist, weil Pollen durch Wind und Bienen kilometerweit verfrachtet werden und sich die Pflanzen so auskreuzen. Damit widerspricht er heftig dieser von Wissenschaftlern und EU häufig getätigten Annahme bzw. Forderung der Koexistenz.

Um die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen und über die Gentechnik richtig urteilen zu können, müssten wir die "Weisheit der Natur" erfahren und anerkennen, sagt Moser. Dementsprechend hat er eine "Charta Naturae" ausgearbeitet, die diese Weisheit in den Mittelpunkt stellt. Sie hat analog zur Charta der Menschenrechte und Menschenpflichten die Rechte der Natur zum Inhalt. "Die Charta wird dazu beitragen, eine echte Versöhnung von wissenschaftlichem Wissen und gesundem Menschenverstand zu erreichen", hofft Moser.

Buchtipp

Konfrontation oder Versöhnung?

Ökosoziale Politik mit der Weisheit der Natur

Von Josef Riegler, Anton Moser, Stocker-Verlag, Graz 2001, 192 Seiten, kart., e 15,80

Streit um Haftung

Die bundesweite Gentechnik-Gesetzesnovelle regelt, unter welchen Bedingungen GVO in Österreich freigesetzt werden dürfen. Zu einem Anbau von GVO wird es 2005 nach menschlichem Ermessen dennoch nicht kommen, weil in Österreich noch ein nationales Importverbot für dafür in Frage kommende GVO in Kraft ist. Dieses wird aber im Laufe dieses Jahres mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die EU-Kommission zu Fall gebracht werden.

Einer der wichtigsten und umstrittensten Punkte des neuen Gentechnikgesetzes war die Frage der Haftung: Im ursprünglichen Entwurf des Justizministeriums war eine echte Beweislastumkehr vorgesehen. Danach hätte ein gentechnikfrei wirtschaftender Bauer einen Schaden durch GVO-Kontamination nur anzeigen müssen, woraufhin der "Gentechnikbauer" seine Unschuld hätte beweisen müssen. Dies wurde von der ÖVP verhindert, woraufhin sich die Regierungsparteien auf eine teilweise Beweislastumkehr einigten: Nun muss der geschädigte Bauer glaubhaft machen, dass eine bestimmte Tätigkeit oder Unterlassung des "Gentechnik-Bauern" in der Nachbarschaft zu dieser GVO-Verunreinigung geführt hat. Erst im Anschluss daran liegt es am "Gentechnik-Bauern", diese Vermutung zu widerlegen. Diese weit weniger strenge Haftung wurde insbesondere von den Grünen und von Umweltschutzorganisationen heftig kritisiert. Weiters ist im Gesetz die Errichtung eines öffentlich zugänglichen Registers festgelegt, wo jeder GVO-Anbau eingetragen werden muss und in das jedermann Einsicht nehmen kann. Die Regelungen die "Koexistenz" betreffend wurde den Bundesländern überlassen. KF

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