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Reißt keine Bäume aus?

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Versprochen - und nicht gehalten: Die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung. Bringt ohnehin nichts,“hört man entschuldigend. Falsch. Hier der sehr trockene Gegenbeweis.

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Versprochen - und nicht gehalten: Die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung. Bringt ohnehin nichts,“hört man entschuldigend. Falsch. Hier der sehr trockene Gegenbeweis.

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Kein Baum wurde und wird dadurch gerettet, daß seit 1984 der umfassende Umweltschutz in der Bundesverfassung verankert ist. Dieses Argument wird jenen entgegengehalten, die unter Verweis auf diese Erweiterung der Bundesverfassung nicht verstehen (konnten), daß die Verankerung des Schutzes und der Förderung von Ehe und Familie in der Bundesverfassung (BVG) - trotz einer diesbezüglichen

Vereinbarung im Arbeitsübereinkommen der Koalitionsparteien -bis heute nicht erfolgt ist.

Zwei kürzlich getroffene Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zeigen die konkreten Auswirkungen einer solchen Staatszielbestimmung.

Im ersten Fall widmete die Stadt Bregenz ein bisheriges „Freifläche-Freihaltegebiet“ in „Baufläche-Wohngebiet“ um. Über Antrag des Landesvolksanwaltes beschäftigte diese Verordnung den Verfassungsgerichtshof. | m

Der Landesvolksanwalt führte in seiner Begründung an: Nach dem Raumplanungsgesetz „sind als Freihaltegebiete Flächen festzulegen, die Ödland sind oder wegen der natürlichen Verhältnisse (Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit, Lawinen, Hochwasser, Vermurung, Steinschlag-, Rutschgefahr u. dgl.) von einer Bebauung freizuhalten sind“. Durch diese demonstrative Auf Zählung seien „auch durchaus Aspekte des Naturschutzes als Gründe für die Freihaltung“ einzubeziehen.

Weiters wies der Volksanwalt darauf hin, daß die zur Verbauung vorgesehene Liegenschaft in einem natürlichen Tobel liege. Aus einem im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung erstellten Biotopinventar gehe hervor, daß das Pflanzenvorkommen auf diesem Grundstück „als Waldgebiet von nationaler Bedeutung mit dem Vorkommen von mehr als 100 Pflanzenarten aufgefaßt werden muß.“ Durch die Lage und Beschaffenheit sei das Grundstück, „abgesehen von den Abendstunden während des Sommers, unbesonnt und aus diesen Gründen für eine Überbauung, insbesondere für eine Wohnüber-bauung ungeeignet“.

Der Verfassungsgerichtshof hob tatsächlich die Verordnung in dem dargestellten Punkt als gesetzwidrig auf und führte als Begründimg unter anderem an: Bei der Beurteilung, ob die Grundfläche zur Bebauung geeignet sei, habe die Landesregierung zwar einen Sachverständigen für Geologie beigezogen, ein Gutachten zu Umwelt- und Landschaftsschutzaspekten fehlte aber. „Ihre Einholung war aber im konkreten Fall... unerläßlich und geboten, wenn bedacht wird, daß das Land nach dem - mit ,Ziele und Grundsätze des staatlichen Handelns' überschriebenen - Art. 7 der Vorarlberger Landesverfassung Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, insbesondere (auch) zum Schutz der Natur und der Landschaft, fördert [siehe § 1 Abs. 1 des BVG vom 2 7. November 1984, BGBl. 419/1984, über das Bekenntnis der Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum umfassenden Umweltschutz...] und daß die Norm des § 2 Abs. 2 lit. b RPG den Schutz der Umwelt, namentlich durch möglichste Schonung des Naturhaushaltes und der Landschaft vor nachteiligen Veränderungen als eigenes Raumplanungsziel statuiert (vgl. auch § 19 Abs. 6 lit. b RPG: Die Landesregierung hat die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes zu versagen, wenn .überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt' würden).“

Kein Baum wurde durch den Umweltschutz in der Verfassung gerettet?

Im zweiten Fall wurde im Unterschied zur Taxikonzession die Notwendigkeit der Bedarfsprüfung im Binnenschiff ahrts-Konzessionsge-setz nicht als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, daß durch die Gesetzesbestimmung zwar in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung eingegriffen werde. „Die durch die in Prüfung gezogene Bestimmung normierte Bedarfsprüfung sei aber im Sinn der jüngeren Judikatur zur Erwerbsfreiheit... durch das im BVG vom 27. November 1984 über den umfassenden Umweltschutz geboten, zur Erreichung dieses Zieles geeignet und in diesem speziellen Fall auch (ausnahmsweise) ein adäquates und auch sonst sachlich zu rechtfertigendes Mittel zur Zielerreichung.“

Er führte weiters an, daß das öffentliche Interesse an der in Prüfung gezogenen Regelung sich nicht aus dem in den parlamentarischen Materialien angeführten Motiv des Konkurrenzschutzes, sondern aus dem im BVG vom 27. November 1984, BGBl. Nr. 491, ausdrücklich verankerten

Staatsziel des umfassenden Umweltschützes ergäbe. „Auch wenn dieses Motiv für die in Prüfung gezogene Bedarfsprüfung in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht erwähnt werde, sei es doch in die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes einzubeziehen: Es komme nämlich für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht darauf an, ob die Verfasser des Gesetzesentwurfes sämtliche Auswirkungen des beabsichtigten Gesetzes gewollt und bedacht haben, sondern darauf, welchen Inhalt das Gesetz bei objektiver Betrachtung habe und ob es bei diesem Inhalt heute vor der Verfassung bestehen könne.“

Zum öffentlichen Interesse am umfassenden Umweltschutz führte der Gerichtshof dann näher aus: „Nun bezeichnet das BVG vom 27. November 1984, BGBl. Nr. 491, ausdrücklich den umfassenden Umweltschutz als Staatsziel. In § 1 Abs. 2 erster Satz ist der umfasserde Umweltschutz als Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen definiert. Er besteht nach Abs. 2 zweiter Satz insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm. Bei dieser Verfassungsrechtslage steht es von vornherein außer Frage, daß es im öffentlichen Interesse liegt, Belange des Umweltschutzes zu wahren... Keiner weiteren Erörterung bedarf es auch, daß das erwähnte Staatsziel durch den Motorbootverkehr auf Seen in mehrfacher Weise gefährdet wird, dies ganz besonders bei kleineren Gewässern. Selbst wenn es technisch möglich wäre, die Boote mit geräusch- und abgasarmen Motoren auszustatten, könnte der Bootsverkehr noch immer die Uferflora sowie Wasservögel und Fische gefährden. Jedweder Motorbootverkehr kann den Erholungswert des Sees und seiner Umgebung in mehrfacher Hinsicht sowohl für die einheimische Bevölkerung als auch für die Gäste erheblich mindern und kann also auch dem Fremdenverkehr schaden, dem Motorboote gerade dienen sollen. Keinesfalls kann der Vorwurf erhoben werden, eine Regelung, die auf eine weitgehende Beschränkung des Motorbootverkehrs auf den österreichischen Seen abzielt, liege nicht im öffentlichen Interesse.“

Die Bedarfsprüfung, führen die Verfassungsrichter weiter aus, sei auch „ein taugliches Mittel, um dem angstrebten Ziel der Wahrung von Belangen des Umweltschutzes zu dienen, da eine Beschränkung des mit Motorbooten betriebenen Gelegenheitsverkehrs im Wege der Bedarfsprüfung zu einer weitgehenden Reduzierung des Motorbootverkehrs führen könne“.

In dem ersten Fall wurde also aus Umweltschutzgründen eine Bebauungserlaubnis aufgehoben, im anderen Fall aus Umweltschutzgründen im Unterschied zu einer kürzlich in einer ähnlich gelagerten Causa getroffenen Entscheidung des Höchstgerichtes die Bedarf sprüfung beibehalten.

Beide Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zeigen die Bedeutimg einer derartigen Staatszielbestimmung. Sie bindet die Verwaltung und die Einfachgesetzgebung.

Die Entscheidungen führen deutlich vor Augen, daß der in der Verfassung verankerte Umweltschutz Auslöser für konkrete Umweltschutzmaßnahmen ist. Wäre dies nicht so, wäre doch auch der Bundeskanzler der Republik Österreich nicht kürzlich für die Schaffung einer Europäischen Umweltcharta eingetreten. Die Behauptung, daß dadurch kein Baum gerettet werde, kann so nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Was für die Umwelt billig war, muß für die Familien recht sein.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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