"Die Industrie bekam zu viele Zertifikate"

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Erwin Mayer von Greenpeace über den CO2-Handel.

Die Furche: Die Idee mit "verbrieften" CO2-Verschmutzungsrechten Handel zu treiben, scheint auf den ersten Blick, nicht umweltfreundlich.

Erwin Mayer: Es kommt auf die Menge an. Die Sache ist die: Bekommt man weniger CO2-Verschmutzungsrechte, als man ausstößt, so muss man Rechte zukaufen oder man reduziert den Ausstoß im eigenen Betrieb.

Die Furche: Derzeit kostet die Tonne CO2 an den europäischen Börsen unter 60 Cent. Da wird nicht viel in den Betrieben eingespart werden, sondern man kauft einfach zu.

Mayer: Denn das System wurde an sich falsch "aufgezäumt". Es gibt zwar einen EU-weiten Emissionshandel zwischen der Industrie und der Elektrizitätswirtschaft, aber die Verteilung der Zertifikate ist auf Ebene der Nationalstaaten geregelt. So ein System kann nicht funktionieren, denn jeder Mitgliedsstaat trachtet danach, die eigenen Betriebe zu schützen, und sie mit so vielen Gratiszertifikaten wie möglich auszustatten. Es geht ja auch um Wählerstimmen. Wenn man heimische Betriebe schützen kann und die Umwelt dabei geschädigt wird, dann wird das gemacht. In der ersten Allokationsperiode wurden zu viele Zertifikate an die Betriebe verteilt.

Die Furche: Wer teilt die Verschmutzungsrechte zu?

Mayer: Zu Beginn war der Umweltminister dafür zuständig. Noch unter Schüssel wurde aber auch der Finanzminister und der Wirtschaftsminister in das Gremium geholt, um zu entscheiden, wer wie viele Zertifikate erhält.

Die Furche: Demnach eine konsensuale österreichische Lösung …

Mayer: … bei der Finanzminister Grasser nicht die Interessen der Steuerzahler vertrat. Denn, das Dreier-Gremium der Minister hat entschieden, dass im zweiten Nationalen Allokationsplan die Industrie in den Jahren 2008 bis 2012 jährlich 30,6 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen darf. Österreichs erlaubte Gesamtemission in dem Zeitraum beträgt 68,2 Millionen Tonnen, d.h. es bleiben zirka 38 Millionen Tonnen für Haushalt, Verkehr usw. Zu wenig, denn Österreich fehlen derzeit bereits 24,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Die fehlenden CO2-Zertifikate werden vom Staat zugekauft und nicht von den Betrieben. Darum hätte der Steuerzahler ein Interesse daran, dass die Industrie weniger Gratiszertifikate bekommt. Doch das geschah auch bei der zweiten Zuteilung nicht.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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