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Bäume verfugen über wirksame Schutzmaßnahmen

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Warum Bäume 400 Millionen Jahre Erdgeschichte überlebt haben.

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Warum Bäume 400 Millionen Jahre Erdgeschichte überlebt haben.

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Die Bäume verfügen über eine äußerst wirksames und bemerkesnwertes Abwehrsystem. Diese Erkenntnis ist dem Amerikaner Alex L. Shigo zu verdanken, einem der profiliertesten Baumbiologen unserer Zeit.

Er war viele Jahre hindurch leitender Wissenschaftler an der „Northeastern Experimentation Station” der forstwissenschaftlichen Abteilung des US-Landwirtschaftsministeriums in Durhan, New Hamphire. Shigos Überlegung: Bäume stehen Infektionsattacken offenbar im Normalfall nicht wehrlos gegenüber. Sonst hätten sie ihren aufsehenerregenden Überlebensrekord nicht geschafft: In mehr als 400 Millionen Jahren Erdgeschichte haben sie sich zu den größten, massivsten und langlebigsten Organismen entwickelt, die unseren Planeten je besiedelt haben. Und das, obwohl sie sich zerstörerischen Angriffen weder durch Flucht noch durch aktive Abwehr entziehen konnten.

Das Ergebnis der Forschungsarbeiten des amerikanischen Baumbiologen: Die Bäume haben überlebt, weil sie im Laufe ihrer Entwicklung zu hochgradig untergliederten Organismen geworden sind, die verletztes und infiziertes Holz einfach abriegeln. Darin sieht Shigo den grundlegenden Unterschied zu den tierischen Überlebensmechanismen: Tiere heilen Wunden, indem sie abgestorbene oder infizierte Zellen durch neue ersetzen. Bäume können weder heilen noch eingedrungene Mirkoorganismen töten, genausowenig deren Aktivität unterbinden.

Shigo unterscheidet drei allgemeine Verteidigungsreaktionen:

  • Der Baum verstärkt die Grenzstrukturen der befallenen Teile gegenüber dem gesunden Holz, um ein Ubergreifen der Schädigung zu verhindern. Das geschieht in erster Linie auf chemischem Weg. Die Zellen, so vermutet Shigo, verändern sich auf ähnliche Weise wie beim Gerben von Ieder: Gerbsäure (Tannine) sowie andere, mit ihnen verwandte Substanzen werden gebildet und imprägnieren die Zellwände. Einige dieser Stoffe wirken möglicherweise mikrobenfeindlich.
  • Der chemische Sperriegel wird durch einen anatomischen ergänzt. Das Kambium, die Schicht mit den lebenswichtigen Leitungsbahnen, über welche der Stofftransport innerhalb des Baumes läuft, riegelt die Gefäße ab. So können sich die Krankheitserreger nicht mehr über den Saftstrom des Baumes ausbreiten.
  • Die dritte Schutzmaßnahme besteht einfach in unbeirrtem Wachstum. Alex Shigo: „Bäume überleben Verletzungen und Infektionen, wenn sie genügend Zeit, Energie und Robustheit besitzen, das verletzte und befallene Gewebe zu erkennen und abzukapseln und daneben zugleich neues Gewebe zu bilden, das die Lebensfunktionen des Baumes aufrechterhält.”

Österreichische Umweltforscher beobachten jedoch, daß bei den Straßenbäumen in Städten ein äußerst bedenkliches Nachlassen der Lebenskraft des Baumes zu beobachten ist. Das heißt, Bäume haben heute nicht mehr genügend Reservestoffe, um dem Angriff lebensbedrohender Feinde standzuhalten.

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