Biodiversität: Wir brauchen neue Allianzen!
Die aktuellen Befunde zum Artensterben sollten die Alarmglocken schrillen lassen, denn es geht um unsere Ernährungssicherheit. Landwirtschaft und Naturschutz sitzen dabei im selben Boot – und sollten künftig miteinandern rudern. Ein Gastkommentar von Franz Essl, Wissenschaftler des Jahres 2022.
Die aktuellen Befunde zum Artensterben sollten die Alarmglocken schrillen lassen, denn es geht um unsere Ernährungssicherheit. Landwirtschaft und Naturschutz sitzen dabei im selben Boot – und sollten künftig miteinandern rudern. Ein Gastkommentar von Franz Essl, Wissenschaftler des Jahres 2022.
Um die Artenvielfalt in Österreichs Kulturlandschaft ist es nicht gut bestellt. Fast die Hälfte aller Brutvögel – exakt 48 Prozent – sind in nur 25 Jahren aus Feld und Flur verschwunden. Das zeigen Zahlen der Vogelschutzorganisation „BirdLife“. Der ebenso rasante Rückgang von Insekten ist mittlerweile zum Allgemeinwissen geworden. Und dies, obwohl Österreich mit dem Agrar-Umweltprogramm ÖPUL Vorreiter in der EU ist – und obwohl viele Bauern und Bäuerinnen mit der Natur wirtschaften. Was bedeutet diese Diagnose für die Ernährungssicherheit in Österreich?
Unstrittig ist, dass es ohne eine halbwegs intakte Artenvielfalt in unserer Landschaft zunehmend gravierende Probleme geben wird. Ohne Hecken, Säume, Blumenwiesen – keine Bestäuber. Ohne Feuchtgebiete und Auen – fallender Grundwasserspiegel, was gerade im Klimawandel zu Ernteausfällen führen wird. Ohne intakte Böden – fallende Ernteerträge. Und wenn sich Österreich weiterhin so ungehemmt versiegelt, wird auch die Anbaufläche langsam knapp werden. Dabei müssten bei den aktuellen Zahlen zum Artenverlust die Alarmglocken nicht nur bei den paar Ökologen und bei Naturliebhaberinnen, sondern ebenso in der Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft schrillen – aus purem Eigeninteresse, geht es doch um nichts weniger als um die Sicherung unserer Ernährung.
Umdenken bei politischen Prioritäten
Landwirtschaft und Naturschutz sitzen dabei im selben Boot, das Artensterben geht einher mit einem Betriebssterben: Seit dem Beitritt zur EU hat etwa jeder zweite Landwirt in Österreich seinen Bauernhof für immer geschlossen. In der Realpolitik jedoch rudern beide Akteure in entgegengesetzte Richtungen. Und nicht selten muss der Natur- oder Klimaschutz auch als Sündenbock herhalten, weil es sich an anderen Stellen im Agrarsystem spießt – wie bei den Protesten von Bäuerinnen und Bauern der letzten Monate sichtbar wurde.
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