"Nicht alle sind für alles geeignet"

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Der Psychologe Aljoscha Neubauer von der Universität Graz leitet gemeinsam mit Barbara Pflanzl von der PH Steiermark das Projekt "Aufnahme-und Auswahlverfahren für Lehramtsstudien". In der aktuellen Pilotphase umfasst es die Unis Graz und Klagenfurt sowie die TU und Kunstuni Graz. 2015/16 sollen sich weitere Unis und Hochschulen - außer Wien -anschließen.

Die Furche: Inwiefern ist der Test, den künftige Lehrer in Graz und Klagenfurt durchlaufen, neu? Aljoscha Neubauer: Insofern, als darin etwa auch ein standardisierter Test für die Wahrnehmung von Emotionen und Empathie enthalten ist, den wir selbst entwickelt haben. Schließlich ist es wichtig, dass Lehrer auch Emotionen bei Kindern und Jugendlichen wahrnehmen können. Weiters versuchen wir die Kreativitätsoffenheit zu erfassen. Man muss als Lehrer nicht selbst super kreativ sein, aber man muss zumindest die Offenheit haben, Kreativität zu erkennen und zuzulassen. Und schließlich werden auch die Fähigkeiten zur Emotionsregulation untersucht. Daneben gibt es aber auch die klassischen Bereiche wie Lernfähigkeit, Sprachkompetenz und diverse andere relevante Persönlichkeitsmerkale. Auch Flexibilität und Stressbewältigung werden getestet, wo es um die Prävention gegenüber Burnoutgefährdung geht. Aber das sind keine Erfindungen von uns, sondern anerkannte, standardisierte Verfahren.

Die Furche: Ihre neuen Tests sind in der Pilotphase. Müssen Studierende Angst haben, allzu leicht hinausgetestet zu werden?

Neubauer: Nein, wir setzen bei diesen neuen Verfahren den so genannten "Cut-off", ab dem jemand einen Test nicht besteht, heuer sehr niedrig an. Es geht uns auch darum, neue Merkmale zu erfassen, die in der Literatur als relevant für den Lehrerberuf erachtet werden, aber bislang nicht berücksichtigt wurden. Die große Bewährungsprobe für diese Auswahlverfahren ist ja der spätere Studien-und Berufserfolg. Anhand dieser harten Fakten werden wir die Validität unserer Tests überprüfen. Die Furche: In Wien

kann de facto niemand durchfallen. Mit welcher Drop-out-Quote rechnen Sie in Graz?

Neubauer: Das lässt sich noch schwer abschätzen, aber ich rechne mit maximal zehn bis 20 Prozent. Es geht einfach darum, Personen mit extrem ungünstigen Persönlichkeitskonstellationen für den Lehrberuf -etwa extrem introvertierte oder wenig belastbare Personen -vom Lehrerstudium fernzuhalten. Das ist für sie selbst wichtig und auch für die Schülerinnen und Schüler. Schließlich wissen wir spätestens seit der Hattie-Studie, dass das Wichtigste im Unterricht die Lehrerpersönlichkeit ist.

Die Furche: In Wien glaubt man nicht an eine "angeborene Lehrerpersönlichkeit". Sie?

Neubauer: Es gibt einfach zwei unterschiedliche Ansätze: Der eine sagt, dass im Grunde alle für alles geeignet sind. Diese Veränderbarkeit des Menschen gehört zum Berufsethos der Pädagogen. Aber diese Veränderbarkeit hat auch Grenzen, das zeigt die Empirie. De facto zeigen viele internationale Metaanalysen und auch die Praxis an den PHs, dass Auswahlverfahren sehr gut funktionieren.

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