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Bauhaus-Architektur im jungen Tel Aviv

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Obwohl der Bauhausstil in Deutschland in den zwanziger Jahren entwickelt wurde, war es das Tel Aviv der dreißiger Jahre, das eine Weiterentwicklung dieses Stils ermöglichte. In den dreißiger Jahren kamen von den Nazis verfolgte Architekten, Schüler der Bauhaus-Schule, nach Palästina und versuchten hier den neuen Stil anzuwenden.

Die Elemente dieser Architektur ließen sich gut an die Bedingungen einer Einwandererstadt anpassen. Es gab Sand und Kies im Überfluß. Die Skelettbauweise der Moderne entsprach den Möglichkeiten und war billiger als bisherige Bauweisen. Statt der großen Dachfenster begnügte man sich im Orient mit Wandfenstern, die so angelegt waren, daß sie die Kühle der Mittelmeerbrise nutzten. In der Folge wurde der Baumarkt allerdings zunehmend von Bauunternehmern und Bodenspekulanten beherrscht.

Einer der Bauhaus-Architekten, Erich Mendelsohn, der die Kaufhäuser des „Schocken"-Konzerns in Deutschland erbaut hatte und nach seiner Einwanderung nach Palästina einige eindrucksvolle Bauten schuf — darunter das Ha-dassah Krankenhaus in Jerusalem - war bald enttäuscht und wanderte in die USA aus. „Während in Europa die neuen architektonisehen Experimente in den Werken der Besten bereits Standardwerke der Planklarheit, der konstruktiven Einfachheit und des sinngemäßen architektonischen Ausdrucks hervorgebracht haben, ergießen sich über das neue Palästina die unverstandenen Kopien dieser historisch neuen Gehversuche der Architektur", klagte er.

Bauhausschüler Hans Bernhard Scharoun baute in Tel Aviv zwei große Arbeitersiedlungen. Eine viereckige Häuserkette erstreckte sich um einen großen Hof. Er war der Spielplatz für Kinder und der Treffpunkt für Erwachsene nach der Arbeit. Tel Avivs Bevölkerung war damals jung, und an einen Aufzug in den dritten oder vierten Stock dachte niemand. Die vielen Zweizimmerwohnungen wurden durch Familienzuwachs schnell zu eng und die ursprüngliche Veranda wurde oft in ein zusätzliches Zimmer verwandelt.

Auch in den neuentstandenen Kibbuzim wurde der Bauhausstil maßgebend, besonders für die Eßsäle, die auch als Versammlungssäle der Kibbuzim dienten.

Die Privatbauten im Bauhausstil büßten während des Zweiten Weltkrieges viel von ihrem Wert ein. Häufig bröckelte der Verputz ab, die Häuser erhielten Risse, die alten Wohnungen wurden verlassen. Viele der Bauhaus-Bauten waren auf Säulen errichtet worden, in der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der freie Platz unter den Säulen zu Parterrewohnungen oder zum Parkplatz. Der Einbau von Plastikfensterläden tat das Seine. Heute kann man die Bauhausarchitektur in Tel Aviv nur mit viel Phantasie identifizieren. Die noch erhaltenen Gebäude stehen unter Denkmalschutz.

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