Aufmerksam, präzise und warmherzig

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Vor zwölf Jahren lernte ich Ursula Voss als Dramaturgin der Österreichischen Erstaufführung von Thomas Bernhards "Elisabeth II." kennen. Ihr Mann Gert Voss spielte in der Inszenierung von Thomas Langhoff den Großindustriellen Rudolf Herrenstein. Bernhard hatte ihn eigentlich in der stummen Rolle des Richard vor Augen gehabt - er gab der Figur den Namen Richard, weil er von Voss' Richard III.-Darstellung begeistert war. Für Herrenstein hatte er Bernhard Minetti vorgesehen. Doch Minetti konnte die Rolle nicht mehr spielen, und so kam es, dass Ignaz Kirchner, der langjährige Bühnenpartner von Gert Voss, den Richard verkörperte und Voss den Herrenstein. Ursula Voss erzählte von ihrer Arbeit als Dramaturgin der Produktion, von den subtilen Machtkämpfen zwischen den Protagonisten Herrenstein und Richard, den Raffinessen des Bühnenbilds und der Zusammenarbeit mit Regisseur Langhoff.

Ich hatte damals einen Lehrauftrag am Institut für Theaterwissenschaft und bat Ursula Voss, den Studierenden von ihrer Tätigkeit zu berichten. Sie kam und riss alle mit ihrer Begeisterungsfähigkeit, ihrem großen Wissen und ihrer unprätentiösen, offenen und wertschätzenden Art mit. Als George Tabori 2007 starb, schrieb sie zusammen mit Gert Voss einen persönlichen Nachruf für die FURCHE, einen berührenden Text, in dem sich beide als die "verliebtesten" Tabori-Fans deklarierten (FURCHE 32/2007). Immerhin hatte Ursula Voss alle Produktionen Taboris seit 1986 dramaturgisch betreut. Sie arbeitete mit ihm im "Kreis" und später am Burgtheater.

Im Jänner 2013 lud sie mich ein, für ihr Buch "Gert Voss auf der Bühne" einen Beitrag zu verfassen. Sie gab den Band im Verlag der Akademie der Künste heraus, die das Archiv von Voss 2009 übernommen hatte. In der Vorbereitung führten wir schöne, feine Gespräche, sie hörte aufmerksam zu, machte kluge Vorschläge, stets mit Bedacht auf hohe Präzision. Wenn sie erzählte, dann spürte man ihre große Liebe zum Theater und zu ihrem Mann. Immer berührte mich ihre außergewöhnliche Warmherzigkeit und Offenheit, mit der sie damals auch den Studierenden begegnet war. Kurz vor seinem Tod am 13. Juli sah Gert Voss noch die Druckfahnen ihres Buches. Er sagte, dass es wunderschön sei, man eine derartige Publikation aber doch wohl erst posthum bekäme. - Als das Buch am 30. November in Wien präsentiert wurde, war Ursula Voss nicht mehr dabei. Eine Woche später, am 6. Dezember, verstarb sie in Wien.

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