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Ein Kommentar zum Berliner Theatertreffen

Wenn der großartige Schauspieler Joachim Meyerhoff als Prinz Hamlet durch den Spiegelsaal jagt, um seinem Zorn gegen Schwiegervater, Mutter und Welt Luft zu machen, dann hat das diesjährige "Berliner Theatertreffen" seinen Höhepunkt gefunden. In Jan Bosses vierstündiger Inszenierung aus dem Schauspielhaus Zürich bemächtigt sich die tragische Titelfigur, mit Gewinn, des ganzen Stücks. Sogar die Rolle des Totengräbers lässt sich Hamlet nicht nehmen. Dabei ist dieser Dänenprinz gar nicht mehr so jung, keineswegs angekränkelt von Melancholien, vielmehr rebelliert er in manischer Getriebenheit gegen alle, auch gegen uns, die wir ringsherum in diesem Spiegelsaal sitzen. Und fast sterben wir am Schluss auch mit. Ein grandioses Spiel, geprägt von Direktheit, Witz und tiefer Traurigkeit.

Das stets schon im Voraus völlig ausverkaufte Festival zeigte uns auch in diesem Mai 2008 einige Varianten des allseits beliebten Deklamationstheaters neuen Stils, mit den Inszenierungen von Stefan Pucher, Michael Thalheimer, Armin Petras oder Stephan Kimmig. Mehr oder weniger originell zugerichtet wird, oft lautstark, meist nur zwei Stunden lang, der Text von Shakespeare, Schiller oder Hauptmann frontal aufgesagt, es gibt nur wenige Hinweise auf Beziehungen oder Situation. Gewiss, auch die bekannten Altmeister Jürgen Gosch (Tschechows "Onkel Wanja") und Christoph Marthaler ("Platz Mangel") trifft man gern von Zeit zu Zeit. Und erfreut sich an ihrer großen Begabung zur Geduld.

Er wird uns also auch dieses Jahr ein Rätsel bleiben, wie man die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen aus Hunderten von Schauspielaufführungen, die innerhalb von zwölf Monaten in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf die Bühne kommen, entdeckt. Und weil das Rezept keiner weiß, war die Auswahl für das diesjährige Festival von Kompromissen, die niemandem weh tun, aber auch nicht allzu oft Freude machen, bestimmt.

Und so vertröstet man sich jedes Mal wieder und hofft, dass uns die Courage einer vielleicht ganz neu zusammengesetzten Kritikerjury im nächsten Jahr wirklich das bemerkenswerteste, außergewöhnlichste, niedagewesenste Schauspiel bietet.

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