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Eigentlich ist "Geschenkbuch" ein tautologischer Begriff: Schließlich ist jedes Buch potenziell ein Geschenk, nicht nur jenes, das sich in den entsprechenden Abteilungen der Buchhandlungen findet, wo es auf Gelegenheits-und Verlegenheitskäufer wartet.

Jedes Buch kann zum Geschenk werden und Geschenkbücher kann man in mindestens drei Sorten einteilen: Da sind zunächst einmal jene Bücher, die man verschenkt, selber aber momentan nicht oder gar nie lesen möchte. Das gewählte Buch ist allein dem Geschmack des Beschenkten geschuldet, es lässt den Schenkenden vielleicht sogar kalt. Die Kunst, solche Bücher auszuwählen, besteht nicht nur darin, das gerade passende Buch für den Beschenkten zu finden (und passen soll es zum Lesegeschmack ebenso wie zur Lebenssituation), sondern womöglich auch darin, über den eigenen Leseschatten zu springen.

Dann gibt es jene Bücher, die man verschenkt, nicht aber ohne sie zuvor heimlich selbst gelesen zu haben. Schließlich kann man auf diese Weise die innere Bibliothek vergrößern, ohne in der äußeren Bibliothek Platzprobleme zu verursachen (und Geld spart es auch). Sehr vorsichtig muss dieses verstohlene Lesen geschehen, damit bloß kein Blatt geknickt wird, kein Fingerabdruck bleibt, keine noch so kleine Spur verrät, dass dieses Buch bereits an-und ausgelesen wurde. Denn man will der Beschenkten doch das Gefühl geben, sie sei die Erste, deren Finger und Augen über die neuen Seiten gleiten dürfen. Es versteht sich von selbst, dass Bleistiftanmerkungen in diesem Fall fehl am Platz sind und das Nachtkästchen keinen geeigneten Ort zur Aufbewahrung darstellt.

Nie ausgelesen

Bei anderen Büchern wiederum genügt es nicht, ein Exemplar zu kaufen, man braucht mindestens zwei: eines für den Beschenkten, eines für sich selber. Denn es gibt ja Bücher, die sich dem Einmallesen widersetzen, weil sie Sätze schenken, mit denen man sich stundenlang beschäftigen kann, oder weil sie so schön sind, dass man sie ab und zu einfach in die Hand nehmen will. Viele Gedichtbände gehören in diese Kategorie, auch so unglaubliche Bücher wie Oswald Eggers "Die ganze Zeit", das schon vom Schriftbild her verwirrt: Wie liest man ein solches Werk? Bücher, die satz-und absatzweise gekaut werden wollen, gehören aufs Nachtkästchen, umgeben von Verwandten. Man liest darin, wenn einem danach ist, legt sie wieder weg, schlägt sie an einem anderen Tag woanders auf. Solche Bücher sind nie ausgelesen, wahrscheinlich auch nie verstanden, man braucht sie also selbst. Und schenken kann man sie jenen, die gerne anspruchsvolle Sprachnahrung auf ihrem Nachtkästchen liegen haben, griffbereit, für alle Fälle.

Das nächste BOOKLET erscheint am 5. Jänner 2011 als Beilage in der FURCHE Nr. 01/11

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