Das Leben als Kunstwerk

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Elke Krystufeks radikal subjektive Welt in einer Ausstellung des MAK.

Elke Krystufek erfüllt alle Vorstellungen, die Nicht-Künstler von Künstlern haben. Sie ist eine charismatische Persönlichkeit, geht unkonventionelle Wege jenseits bürgerlicher Lebensvorstellungen - und sie stellt sich und ihre Befindlichkeiten ins Zentrum der Kunst. Im Jahr 1994 sorgte die 1970 geborene Künstlerin durch die Körper-Aktion Satisfaction in der Kunsthalle Wien für einen handfesten Skandal, der sie schlagartig zum Enfant terrible der österreichischen Kunstszene machte. Von da an ging es am Kunstmarkt steil bergauf und längst gilt Krystufek international als eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Österreichs. In dieser ersten von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommenen Aktion - im kunstinternen Rahmen hatte Krystufek bereits als Akademiestudentin 1990 mit einer Performance einen Skandal hervorgerufen - zeigte Krystufek, dass es ihr um das Verhältnis zwischen Öffentlichem und Privatem, um die Rolle der Frau im Kunstgeschehen - vor allem aber um die radikale Befragung ihres Körpers und ihrer Psyche geht.

Körper-Provokationen

"Ich habe beschlossen, mein Leben zum Kunstwerk zu machen. Alles ist öffentlich, meinte Krystufek einmal in einem Interview - und schockierte, indem sie ihre Bulimie in Videos wie Vomiting/Eating (1992) ungeschönt zum Thema ihrer Kunst erklärte. Mit ihrer selbstdarstellerisch-expressiven Kunst ist Krystufek in die Fußstapfen der österreichischen Aktionskünstler der 1960er und 70er Jahre (Wiener Aktionisten und Valie Export) getreten, wenngleich ihre Arbeit nur punktuell an die "Körperanalysen" eines Günter Brus oder die feministisch ausgerichteten Performances von Valie Export erinnert. Krystufek grenzt sich von den aktionistischen Übervätern ostentativ ab und möchte lieber in Zusammenhang mit der amerikanischen Foto-Künstlerin Cindy Sherman gesehen werden.

Wie konsequent Elke Krystufek ihr künstlerisches Ziel verfolgt, zeigte sich im Vorjahr, als sie nach einem knappen Jahr die Professur für "Kontextuelle Malerei" an der Akademie der bildenden Künste freiwillig zurücklegte - ein heiß begehrter Job, den österreichische Künstler normalerweise am liebsten ein Leben lang nicht mehr hergeben würden.

Von provokanten Künstlern wie Krystufek hat die Öffentlichkeit meist ein verzerrtes Bild, insofern bietet die große Einzelausstellung Liquid Logic im Museum für angewandte Kunst eine gute Gelegenheit, dieses auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Bei der von Design-Theoretikerin Tulga Beyerle kuratierten Ausstellung handelt es sich um keine Retrospektive, vielmehr spiegelt die Schau eine monatelange Auseinandersetzung Krystufeks mit der Sammlung, der Geschichte und den Mitarbeitern des Hauses.

Dialog mit dem MAK

Nicht, dass Krystufek selbst etwa nicht mehr präsent wäre. Im Gegenteil: Die gesamte Ausstellung - zu sehen im unteren Geschoss des MAK - präsentiert sich als riesige barocke Collage, in der Krystufeks gemalte Selbstporträts, Fotos, Videos und Objekte mit ausgewählten Objekten aus dem MAK einen Dialog führen.

Ob man das will oder nicht, beim Gang durch die Schau wird man in die radikal subjektive Welt von Krystufek hineingezogen, sieht Fotos von Krystufeks Körper in Begegnung mit Gegenständen und Räumen des MAK, begegnet Möbeln aus der Sammlung, die mit Themenkomplexen wie Gehirn, Vagina, Beziehung und Religion zu tun haben - also Bereichen, die in Krystufeks Werk eine zentrale Rolle spielen.

Die Position der Frau

Zu den interessantesten Werken gehören jene, in denen sie sich explizit mit der Position der Frau in Kunst und Gesellschaft befasst. So findet sich in der Schau die Küche der Künstlerin wieder - eine Einbauküche aus den 1980er Jahren, vollgeramscht mit Fotos, Zeitungsausschnitten und Gebrauchsgegenständen. Bereits im Titel Wien darf nicht Frankfurt werden zitiert Krystufek die Frankfurter Küche von Österreichs erster Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Indem Krystufek den von Schütte-Lihotzky in den 20er Jahren konzipierten Küchen-Typ, gedacht zur Vereinfachung der hausfraulichen Tätigkeiten, zum Künstleratelier und Privatmuseum "umfunktionierte", stellt sie traditionelle Rollenzuweisungen und die damit verbundenen Örtlichkeiten in Frage. Kunst kann heute überall stattfinden, es gilt nur, die Orte richtig zu besetzen, wie Krystufek im MAK aufgezeigt hat.

ELKE KRYSTUFEK. LIQUID LOGIC.

The Height of Knowledge and the Speed of Thought

MAK-Ausstellungshalle

Weiskirchnerstraße 3, 1010 Wien

www.MAK.at

Bis 1. 4. Mi-So 10-18, Do 10-24 Uhr

Katalog: Elke Krystufek. Liquid Logic. The Height of Knowledge and the Speed of Thought, hrsg. von Peter

Noever, Hatje Cantz, Ostfildern 2006,

224 Seiten, € 35,-

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