Der Fixstern auf dem Comic-Markt

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Entenhausen feiert: Die deutschsprachige Kinderzeitschrift "Micky Maus" ist 50 Jahre alt, es wurden schon mehr als eine Milliarde Hefte gedruckt.

Dieser Artikel bedarf einer Vorwarnung: Wer alle Comics in einen Topf ("Trivialliteratur", "Schund") wirft und ihnen keine Behandlung auf den Kulturseiten eines seriösen Blattes zugesteht, möge weiterblättern. Denn hier wird so ein Sprechblasen-Produkt gewürdigt: Vor 50 Jahren, am 29. August 1951, startete die deutschsprachige "Micky Maus" (MM) von Stuttgart aus ihren Siegeszug. Generationen von Kindern bis zu heutigen Jungpensionisten sind mit ihr aufgewachsen und teilen die gegenwärtige Feierstimmung in Entenhausen. Was als Monatszeitschrift mit 300.000 Stück Druckauflage begann, entwickelte sich binnen weniger Jahre zu einem Wochenmagazin, das nun schon 2385mal am Kiosk lag und insgesamt über eine Milliarde Exemplare druckte. Das Heft 10/1998 soll mit über einer Million Exemplaren das bestverkaufte aller Zeiten gewesen sein, aktuell liegt die Auflage bei gut 500.000 Heften.

Auch im Zeitalter der Computer-Maus zählt die von Walt Disney kreierte Micky Maus zu den beliebtesten Mäusen, doch noch beliebter ist eine andere Figur, die der im Vorjahr verstorbene Amerikaner Carl Barks ins Leben gerufen und die Deutsche Erika Fuchs in unsere Sprach- und Geisteswelt übertragen hat: der sanguinisch-cholerische Donald Duck, mit dem sich der Normalbürger besonders leicht anfreunden und identifizieren kann. Die Ente mit Matrosenmütze ist der Star unter den Wesen, die Entenhausen beziehungsweise die MM-Hefte bevölkern: Donalds clevere Neffen Tick, Trick und Track, die von Donald und dem Glückspilz Gustav Gans umschwärmte Daisy, der im Geld badende Onkel Dagobert, die lebenserfahrene Landwirtin Oma Duck mit ihrem trägen Gehilfen Franz Gans, die weltgewandte - männliche - Micky Maus mit ihrer Freundin Minnie, der tolpatschige Goofy, der spleenige Erfinder Daniel Düsentrieb und der reizbare Hund Pluto, um nur die wichtigsten zu nennen.

Dagobert Duck, seines Zeichens der reichste Mann der Welt, ist übrigens jene Comic-Figur, die am häufigsten in seriösen Wirtschaftszeitungen abgebildet wird. In der nicht immer heilen MM-Welt fehlen auch Exponenten des Bösen nicht: die trickreiche Panzerknackerbande, der grimmige Kater Karlo oder Ede, der große böse Wolf, den sein biederer Sohn und dessen Freund Schweinchen Schlau zu domestizieren trachten.

Noch eine ganze Reihe anderer Personen bekam durch zumindest gelegentliche MM-Auftritte Popularität: der Indianer Klein-Adlerauge, die niedlichen Nager A-Hörnchen und B-Hörnchen, der zerstreute Professor Primus von Quack, der Musterschüler und Klassenprimus Alfons, der Hund Strolchi, die mysteriöse Gundel Gaukeley ...

In die Abenteuer dieser Gestalten ist viel Alltagsweisheit, Lehrreiches und zum Nachdenken Anregendes verpackt. Ganz nebenbei wird man darauf gestoßen, sich mit Geschichte und Geographie, Naturkunde und Kunst zu befassen. Wollte uns zum Beispiel ein MM-Sonderheft in den fünfziger Jahren weismachen, den amerikanischen Kontinent habe, schon lange vor Erik dem Roten, Olaf der Blaue entdeckt, dessen Nachfahre, ein Herr Bläulich, nun mit Hilfe eines Goldhelms aus dieser Zeit die Herrschaft über Amerika anstrebe, reizte das, sich mit den historischen Fakten zu befassen. Im lange Zeit nicht im Comic-Stil gestalteten Mittelteil sorgte in den sechziger Jahren "Reporter Flix" für aktuelle Tatsachenberichte.

Für gute Taten verlieh die MM-Redaktion, sich ihrer pädagogischen Veranwortung als Comic-Marktleader durchaus bewusst, damals Ehrenurkunden und goldene Nadeln. Im ganzen deutschen Sprachraum schossen Micky-Maus-Klubs, kenntlich an entsprechenden Wimpeln, aus dem Boden. Und manche der originellen MM-Texte (legendär zum Beispiel jener von der "Lore aus Singapore") prägten sich nachhaltiger ein als etwa die immer das Gleiche bietenden Piccolohefte "Akim" oder "Sigurd". Dass die Lektüre letzterer den Eltern meist weniger genehm war, machte sie zwar reizvoller, aber keineswegs besser als die oft Zeiterscheinungen karikierenden MM-Stories. Deren Aktualität konnte so weit gehen, dass sich 1986 Teile der deutschen CDU empörten, als es in einem Heft hieß: "Entenhausen braucht eine Wende - damit alles ganz anders wird: Dr. hc.K. Hohl".

Doch die "Micky Maus" und ihre Anhänger nahmen die Dinge nie tierisch ernst, sondern tierisch locker. 1996 erntete der Stadtplan von Entenhausen in der "tageszeitung" (taz) donaldistische Kritik: "Das Entenhausen der MM-Redakteure wimmelt von Gebäuden, die es so gar nicht gibt, wie zum Beispiel das Schloss. Soll der Stadtstaat - immerhin eine der stabilsten Demokratien der Welt - zu einem Fürstentum oder Königreich umgelogen werden?"

Seit der nach dem dänischen Verleger Egmont Harald Petersen benannte Ehapa-Verlag, der kürzlich von Stuttgart nach Berlin übersiedelt ist, 1951 die "Micky Maus" herausgebracht hat, ist die Konkurrenz auf dem Unterhaltungsmarkt für Kinder - Stichworte: Computer, Pokemon - härter geworden. Fünf Jahrzehnte sind eine Sensation in diesem kurzlebigen Genre, noch dazu, wenn man, nicht jede Mode mitmachen will. wie Marketing-Manager Jörg Risken versichert, der Linie treu bleiben will, denn: "An den Charakteren zu feilen, würde die Marke verwässern. Die Ducks werden nicht plötzlich aggressivere Töne anschlagen."

Darum will man sich weiter besonders auf die Zielgruppe der Acht- bis Zehnjährigen konzentrieren, bevor sich diese, was ja wünschenswert ist, vornehmlich anderen Druckwerken, nämlich Zeitungen und Büchern, zuwenden. Die Behauptung, dass gute Comic-Lektüre dafür gar keine schlechte Vorbereitung ist, dürfte nicht aus der Luft gegriffen sein. Darum: Happy Birthday, Micky Maus!

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