Nitsch-2 - © Foto: APA / Georg Hochmuth
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Staatspreise bekommt man für das, was der Staat preist. Natürlich preist der Staat, was dem Staat gefällt. Dem Staat gefällt einmal, was seinen Grundwerten entspricht, und dann, was durch lange Diskussionen abgesichert ist und kein Investitionsrisiko mehr darstellt. Und jetzt bekommt Hermann Nitsch diesen Staatpreis - "was dem Staat gefällt", "was seinen Grundwerten entspricht" usw. Da reagiert der Staat als Bürger: von "unbegreiflich" über "Verschwendung von Steuergeldern" bis hin zu wüsten persönlichen Beschimpfungen reicht die bunte Palette.

Der 1938 in Wien geborene Nitsch machte es dem Staat nicht gerade leicht. Als seinen Sonderweg im Umfeld der Wiener Aktionisten entwickelte Nitsch sein Gesamtkunstwerk des Orgienmysterientheaters - eine Mischung aus malerischen, theatralischen und musikalischen Elementen - zu einem zumeist mehrere Tage anhaltenden Fest. Dafür lässt er seine Kunstsparten in einer sehr archaischen Form auftreten. Die Musik umfängt die Teilnehmer - Zuseher im Sinne einer passiv anwesenden Menge gibt es nicht mehr - mit sphärischen Klängen. Das Theater mutiert zu rituellen Handlungen, die an Opferungen und Prozessionen erinnern. Die Malerei dient als eine besondere Form der Dokumentation der dargebotenen Schauspiele in Form von Schüttbildern oder mit vollem Körpereinsatz ausgeführten Gestikbildern. Diese beiden Möglichkeiten der Malerei überträgt Nitsch dann auch in seine Atelierarbeit.

Inhaltlich ist damit der Bezug zur Religion in einem allgemeinen Sinn offensichtlich. Allerdings geht es nicht mehr um eine spezifische Glaubensrichtung, wenngleich Nitsch natürlich stark beim vom Katholizismus geprägten Formenkanon seiner unmittelbaren Umgebung ansetzt. Der Künstler wird zum Hohen Priester dieser neuen Religion, die sich hehren Zielen verschrieben hat. "der gesamte lebensablauf wird zum mystischen erlebnis verdichtet", schreibt Nitsch über sein Orgienmysterientheater. Es geht um die Erfahrung einer "altruistischen liebe. liebe nicht als gebot begriffen, sondern als zustand, als hochzustand des existierens, als seinszustand. auf das ganze leben ausgebreitete seinsmystik ist liebe."

Gerade bei religiösen Menschen eckte Nitsch trotz dieser Absichten allerdings wegen der besonderen Form, die er zur Erreichung seiner Ziele einsetzte, immer wieder an. Wobei viele der Vorwürfe völlig an seiner Arbeit vorbeigehen. Man kann Nitsch vielleicht vorwerfen, dass er nicht konsequent genug war und bei seiner direkten Anknüpfung an den christlichen Kult nur Tierblut verwendet hat, wo doch gemäß seiner Logik Menschenblut gefordert wäre. Mit Blasphemie hingegen hat Nitsch nichts zu tun. Im Gegenteil, er führt auszugsweise die Radikalität des christlichen Glaubens drastisch vor Augen.

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