Der Tanz des Dichters mit seinem Geschöpf

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Brigitte Fassbaender zeigt am Tiroler Landestheater ihre Neudeutung der Oper "Salome" von Oscar Wilde und Richard Strauss.

Oscar Wilde hat eine Abendgesellschaft. Die Gäste mutieren zur Personage eines neuen Stückes, und Wildes Beziehung zu ihnen, seine psychische Disposition, seine homoerotische Neigung liefern die Motive. Regisseurin Brigitte Fassbaender verknüpft Oscar Wildes kreative Bedingungen in bruchloser Konsequenz mit seinem "Salome"-Stück, das Richard Strauss gekürzt, aber weitgehend wörtlich vertont hat. Das Denkmodell geht faszinierend auf, die Regisseurin kann es wagen, den hinter der voluminösen Instrumentation oft verborgenen Text in Übertiteln zu präsentieren. Das Premierenpublikum reagierte mit Ovationen.

Die Ausstattung (Helfried Lauckner und Michael D. Zimmermann) führt ins viktorianische England Oscar Wildes, der in seiner Bibliothek in Gestalt eines Tänzers das Stück entwickelt, zulässt, beobachtet. Das erweitert die Oper um psychologische und schöpfungsimmanente Ebenen. In der zentralen Tanzszene verschmilzt Salome mit dem Dichter zu einem Pas de deux, und er ist es, der sieben Hüllen fallen lässt. Jochanaan schleudert seine Wahrheiten von der Folter einer Tretmühle aus auf die Kindfrau, und wenn sie in zunehmend pathologischem Furor von Herodes das Haupt des Joachanaan gefordert hat, verweigert die Regisseurin den Pappmachékopf. Salome trifft statt auf das Prophentenhaupt auf Oscar Wilde und vereinnahmt den ganzen Mann. Da tötet der Dichter sein Geschöpf, erschrocken über dessen morbide Dekadenz und darüber, nicht Herr über die Ausgeburten seiner Phantasie zu sein.

Das alles wird erstklassig umgesetzt. Aleksandar Markovic am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck bietet eine solide, in den schillernden Finessen und der Balance freilich noch steigerbare Leistung. Liudmila Slepneva ist eine hinreißende Salome, eine im prachtvollen stimmlichen Entwicklungsbogen erwachende Kindfrau zwischen Pubertät und Eros. Martin Dvorak hat die Dynamik des Oscar Wilde, die in der Begegnung mit dem Königspaar Humor nicht ausschließt, selbst choreografiert. Joachim Seipp eifert stimmstark als Jochanaan, Dan Chamandy gibt dem Herodes ein dieser Rolle nur selten gewährtes Profil, Shauna Elkin ist eine plastische Herodias.

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