Die Angst vor der Dunkelheit

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Nestroys "Höllenangst" feierte bei den Salzburger Festspielen Premiere.

Zappenduster ist es auf der Bühne des Salzburger Landestheaters. Statt bissiger Couplets singt Louie Austen (als diabolischer Louis Cypher) satanische Songs in der Eröffnungspremiere der Salzburger Festspiele. Martin Kusej hat seinen ersten Nestroy inszeniert und mit "Höllenangst" eine brillante Apokalypse-Studie geliefert, die einen dennoch - wenn auch nicht ohne Bedingung - zum Lachen bringt.

1849 schreibt Nestroy ein Volksstück auf die Revolution von 1848 und setzt beim verarmten Schustersohn Wendelin (Nicholas Ofczarek) an. Nichts ist dem sozial Unterprivilegierten geblieben, selbst die Mutter (Barbara Petritsch) ist um ihre kleine Pension betrogen und der Vater (Martin Schwab) ertränkt seinen Kummer im Branntwein. Der Glaube an ein Schicksal ist Wendelins einzige Sicherheit, "I lass' mir mein Aberglauben durch ka Aufklärung raub'n".

Teuflisches Schicksal

Und so hält er den von seiner heimlichen Angetrauten heimwärts flüchtenden Oberrichter Thurming (Joachim Meyerhoff) für den Teufel; ein Kleider-Tausch, ein Sack Dukaten - kann ein armer Mann von den Mächtigen menschlich behandelt werden, ohne einen Pakt mit dem Teufel abzuschließen? Wendelins Schicksalsphilosophie bringt ihn in die aberwitzigsten Situationen.

Martin Zehetgrubers Bühne - eine variable Holzbox - bietet dafür den optimalen Raum. Wenige Verschiebungen nur, und aus der Optik des geschlossenen Zimmers gelangt der Blick auf eine Straße, einen Platz oder in geräumige Salons mit zahlreichen Schlupflöchern zum gekonnten Türe-auf, Türe-zu-Spiel.

Kusej zeigt sich wieder einmal als präziser Schauspieler-Regisseur, der mit intelligenten, einfallsreichen Konzepten zur allerersten Liga des deutschsprachigen Theaters zählt. Er betont die Ambivalenz der Figuren, der paranoide Stromberg (Johannes Krisch) etwa sieht wie ein Italo-Westernheld aus. Imaginären Pistolenkugeln hüpft er davon oder hält sie mit der bloßen Hand zurück. Ohne die Figuren lächerlich zu machen, stellt sie Kusej in ihren Ängsten als wahrhaft komische Käuze dar. Dass sich nebenbei mit den Wörtern Teufel und Hölle ganz famose Wortspiele auftun, ergibt sich bei Nestroy von selbst.

Kein Lachtheater

In dieser dynamischen Inszenierung wendet Kusej den Blick vom Individuum aufs Ganze, nach der Revolution bricht das Chaos aus, es gibt keine Ordnung mehr. Sein pessimistischer Blick passt treffsicher zu Nestroys Ton, der so gerne missverstanden als Lachtheater im Biedermeiergewand interpretiert wird. Scharf und klar ist diese Produktion, in der auch alle überzeugend sind. Dietmar König macht aus der fleischslosen Rolle des Reichthal einen unbeholfenen Sympathieträger, Barbara Petritsch zeigt als gottesfürchtige Mutter, wie schwierig es sein kann, im Stehen einen Socken anzuziehen und Alexandra Henkel gibt als adelige Adele von Stromberg zusammen mit Caroline Peters als Rosalie ein groteskes Paar. Allen voran steht Nicholas Ofczarek. Er wird dem Nestroy'schen Satz der "dämonischen Theaterblitze" wahrlich gerecht. Ja, man muss nach dieser Leistung sagen, dass Ofczarek ein Schauspieler von außergewöhnlicher Bandbreite ist. Hätte er den Nestroy-Preis nicht schon erhalten, für diesen Wendelin hätte er ihn verdient.

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