Die gezeichnete Mutter

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Architektonische Archetypen, Skulpturen und nicht zuletzt Zeichnungen – Walter Pichler, der aus Südtirol stammende Künstler, der nun schon seit Langem sein Refugium in St. Martin im Burgenland hat, beschäftigt sich üblicherweise mit Räumen, wälzt Gedanken, wo denn eigentlich der Raum aufhört und die Plastik anfängt – um dann zu dem Schluss zu kommen, dass es da keinen Anfang und kein Ende gäbe.

Diesmal geht es aber nicht um Architektur, nur in entfernten Sequenzen um Skulpturales, diesmal geht es um die Mutter des Künstlers, um ihr Leben, um all jene Geschichten, die auch der Künstler selbst über seine Mutter in der Vergangenheit erzählt hat; immer vom Drang beseelt, eine möglichst gute Geschichte zu erzählen. Er meint dazu ganz lapidar: „Die meisten Geschichten, die ich über meine Mutter gehört habe, stimmen nicht. Auch die Geschichten, die ich über sie erzähle, sind ausgeschmückt und oft zu blumig, und wenn ich manchmal über sie geschrieben habe, war nicht die Wahrheit mein Leitfaden, sondern die Dramatik und Schönheit der Geschichte, ich wollte eben eine gute Geschichte erzählen.“

In den Zeichnungen und Bildern ist das Erzählen der Geschichten um die Mutter vielleicht ein bisschen einfacher, zumindest leichter zu reduzieren.

Von intensiv-düster zu ganz lichten Variationen

Pichler zeichnet die Geschichte seiner Mutter, wie er sie selbst zumeist nur aus Erzählungen kennt. Die Themen umkreisen sowohl die Südtiroler Heimat als auch das Leben im Nordtiroler Telfs, wo die Familie nach der Option lebte. Vieles lässt sich aber auch gar nicht kleinteilig lokalisieren.

„Die silberne Schürze meiner Mutter“ ist wohl ein wegweisendes Bild, welches das Geschick einer Frau symbolisiert, die, bedingt durch die Option ihre Mannes für Deutschland, die Heimat verlassen muss. Walter Pichler arbeitet alle Geschehnisse in einem 30-blättrigen Zyklus durch, wechselt von intensiv-düsteren Farbschattierungen zu ganz lichten Variationen und erzählt mit dem Bleistift, dem Farbstift einerseits sehr emotional, andererseits doch in dem für ihn so charakteristischen, reduzierten Stil, der von subtiler Kargheit geprägt ist und bei dem man als Betrachter immer das Gefühl hat, dass jene zarten Momente des üppigen Überschwanges sofort wieder eingebremst werden, um nur ja keine falsch wirkenden Töne durchschimmern zu lassen.

Es ist die Geschichte der Mutter, die Walter Pichler da zelebriert – und doch ist es viel mehr. Denn es ist auch die Geschichte des Landes, verknüpft mit seinem ganz persönlichen Leben – was schlussendlich sogar darin seinen Ausdruck findet, dass er in einer Zeichnung das Bild seiner Mutter mit jenem seiner Tochter verschränkt und damit dem ganzen Zyklus eigentlich eine viel umfassendere Bedeutung gibt.

Der Bildhauer Pichler und der in architektonischen Räumen denkende Künstler kommt übrigens auch in den Zeichnungen zur Geltung und kann auch in diesem aktuellen Bilderzyklus seinen zeichnerischen Ausgangspunkt bei Brancusi nicht leugnen.

Walter Pichler Zeichnungen: für meine Mutter

Schloss Tirol bei Meran, www.schlosstirol.it, bis 15. November 2010

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