Die Jugend eines Friedensengels

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Der Carinthische Sommer zeigt Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner endlich als Menschen.

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Der Carinthische Sommer zeigt Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner endlich als Menschen.

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Man glaubt immer, das sei eine reifere Frau mit Witwenschleier, die schon alt auf die Welt gekommen ist. Daß die eine Jugend gehabt hat, weiß niemand." Der Wiener Autor Helmut Korherr entdeckte während seiner monatelangen Beschäftigung mit Bertha von Suttners Biografie vollkommen unbekannte Facetten einer eindrucksvollen Frau. Das Ergebnis ist das literarisch-musikalische Lebensbild "Rebellischer Friedensengel", das am 4. August im Rahmen des Carinthischen Sommers zur Uraufführung gelangen wird. Von der adeligen Jugend im mondänen Umfeld der Reichen und Schönen bis hin zur großen Liebe, dem melodramatischen Ausbruch aus allen Konventionen, der Läuterung als Friedenskämpferin und einer tiefen Krise gegen Lebensende enthält Bertha von Suttners Leben alles, was eine dramatische Geschichte ausmacht.

Als junge Dame zog sie im Schlepptau der Frau Mama durch die Kasinos der Donaumonarchie. Mit dem erklärten Ziel, eine gute Partie zu machen. "Die Mutter war eine Spielerin, eher ein lockerer Zeisig. Mit Mitte zwanzig hat sie den über siebzigjährigen Grafen Kinski geheiratet, um sich zu sanieren," zeichnet Korherr das Bild einer dekadenten Jugend. Trotzdem wurde Bertha in der oberflächlichen Welt des "Komteßchenzirkus" nicht heimisch. Bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr hatte sie den heißersehnten Millionär nicht geangelt. Ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt schienen endgültig vorbei.

Die kluge Komteß Kinski schätzte ihre Lage richtig ein, sattelte um und begann, als Erzieherin bei Baron Suttner zu arbeiten. Dort traf sie die Liebe ihres Lebens: Arthur, der Sohn des Hauses, verliebte sich in sie. Eine Verbindung zwischen der um sieben Jahre älteren Erzieherin und dem Baronssproß mit der glorreichen Zukunft schien damals geradezu unmöglich. Die Liebenden reagierten auf ihre Weise, flohen in den Kaukasus, und heirateten dort heimlich. Enterbung und Börsenkrach zwangen sie dazu, ihr Geld selbst zu verdienen.

"Er begann mit dem Schreiben. Seine Artikel über Krieg, Land und Leute im Kaukasus schickte er nach Wien. Sie hat dann eine Novelle eingesandt, und die ist auch gleich publiziert worden," schildert Korherr den Beginn einer klassischen, sich gegenseitig befruchtenden Schriftstellerehe. "Als dann ihr Roman "Die Waffen nieder!" ein Welterfolg wurde, hat er sicher sehr darunter gelitten. "Wenn man ihre Tagebücher liest, sieht man, daß ihr das direkt peinlich war. Kein Mann verträgt es, im Schatten einer Frau zu stehen," gibt Herr Korherr unumwunden zu - eine Problematik, die bis heute nichts an Brisanz eingebüßt hat. "Ich hab gar nicht gewußt, wie heutig diese Geschichte ist!" zeigt sich Korherr von seinem Stoff begeistert.

Auch von einer nicht minder aktuellen schmerzlichen Erfahrung bleibt die Friedensnobelpreisträgerin nicht verschont: Ihr Ehemann verliebt sich in seiner Midlife crisis ernsthaft in eine Jüngere, von der Bertha erkennen muß, daß es sich nicht um ein Flittchen, sondern eine ernstzunehmende Konkurrentin handelt. Das hat sie so verletzt, daß sie sogar ihre Tagebuchaufzeichnungen über diese Lebensphase verbrannt hat.

Der "Rebellische Friedensengel" ist ein literarisch-musikalisches Textbild, in dem fünf imaginäre Gespräche das Innenleben Bertha von Suttners nach außen stülpen. Verstärkt, unterlegt und ergänzt wird der Text von eigens für das Stück komponierten Melodien des Musikers Josef Stolz. Er unterstützt und begleitet am Klavier eine charismatische Frauendarstellerin: Mijou Kovacs spielt die Bertha. Die Gefahr, daß man an eine arrivierte Matrone denkt, ist somit gebannt.

4. August. Barocksaal Ossiach

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