Fahrradikonen - einfach schön

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Eine Ausstellung über Fahrräder? Was, bitte schön, soll das?, mag mancher denken. Ein Fahrrad gehört auf die Straße, aber in einem Kunstmuseum, da hat es doch nichts verloren! Rembrandt ja, Drahtesel nein.

Spontan assoziieren wir Museum mit ehernem und zeitlosem Kulturgut. Und da scheint etwas so Alltägliches und Banales wie das Fahrrad in der Tat fehl am Platz zu sein. Kurator Thomas Geisler führt vor allem zwei Gründe an, wieso sich das Museum für angewandte Kunst (MAK) zu der Fahrradschau "Tour du monde“ entschloss. Erstens sei das Fahrrad, lange Zeit als Fahrzeug des kleinen Manns verspottet, eine wunderbare Erfindung, die als solche gewürdigt gehöre. Zweitens ließe sich anhand der verschiedenen Zweiradtypen ein Stück Technik- und Designgeschichte sehr gut ablesen.

Gezeigt werden etwa 50 Räder aus der umfangreichen Privatsammlung des Wiener Architekten und Designers Michael Embacher. Fragen wir auch den Leihgeber, was ihn an Velos fasziniert. "Wie Adam Opel schon sagte, ist das Fahrrad ein Gebrauchsgegenstand ohne ersichtlichen Nachteil. Mich fasziniert seine Einfachheit — und die überraschend große Vielfalt an Variationen. Seit knapp 200 Jahren gibt es das Fahrrad, seine Grundform ist seitdem weitgehend unverändert geblieben, und doch arbeiten Tüftler ununterbrochen an Verbesserungen“, antwortet der Endvierziger.

Begnung auf Augenhöhe

Diese Vielfalt dem Besucher zu vermitteln, darum geht es auch in der MAK-Ausstellung. Die Räder stehen nicht am Boden, sondern schweben, an der Decke angebracht, in der Luft. So ist es dem Besucher möglich, ihnen so zu begegnen, wie er es gewöhnlich nicht kann: auf Augenhöhe.

Da im Spotlicht etwa der "Rolls Royce“ unter den Rädern: ein René Herse aus den 1960er-Jahren. Das Reiserad "Diagonale“. Kunstvolle Muffen und innen verlegte Züge, alles ist fein verarbeitet. Ein Fabrikat aus einer jener kleinen französischen Werkstätten, die im Jahr ein paar Dutzend, höchstens ein paar Hundert Räder fertigten.

"In Frankreich wusste man diese Handwerkskunst zu schätzen. Die Käufer waren bereit, das 3-Monats-Gehalt eines Angestellte für ein Fahrrad auszugeben“, sagt Embacher. Es ist diese Liebe zum Detail, diese Genauigkeit bis auf den Zehntelmillimeter, die ihn fasziniert. "Beim Fahrradbau rächt sich jede Ungenauigkeit, denn die muss vom Fahrer mit erhöhtem Krafteinsatz wettgemacht werden.“

Erst vor etwa zehn Jahren begann Embacher Fahrräder zu sammeln. Am Anfang stand ein Rennrad, ein italienisches, ein "Rigi Bici Corta“, mit extrem kurzem Radstand. "Ich hatte es zufällig im Internet entdeckt.“

Aus dem Zufall wurde gezielte Beobachtung. Und aus ein paar Rädern wurden schließlich über 250. Doch ein Hobby, das ist es geblieben, wenn auch inzwischen ein recht kostspieliges.

"Als ich zu sammeln begann, war das Fahrrad noch nicht in Mode und daher relativ preisgünstig zu bekommen. Um 2008, als einige Modehäuser anfingen, auf Werbeplakaten ihre Produkte mit alten Fahrrädern zu dekorieren, zog der Preis an. Heute gibt es vor allem in Korea und Japan Sammler, die bereit sind, für ein Moulton-Rad 18.000 Euro zu zahlen. Viele Räder, die ich vor Jahren erworben habe, könnte ich mir heute gar nicht mehr leisten.“

Manche betrachten ihre Velos als Fetische, als Wertgegenstände, die am besten hinter Glas zu verwahren sind, wenn nicht im Panzerschrank. Ganz anders Embacher. Er lagert seine Räder auf dem Dachboden, direkt über seinem Atelier, dort, wo es im Sommer verdammt heiß werden kann, und wo es deshalb ab und an einen lauten Knall tut, dann, weiß Embacher, ist mal wieder ein Reifen geplatzt. Macht nichts, das gehört dazu. Für ihn keine Katastrophe. Denn für Embacher sind seine Vehikel in erster Linie Gebrauchsgegenstände.

Er erwirbt nur, was ihm, dem Designer, gefällt. Das können auch konstruktive Verirrungen sein, wie etwa jenes Mountainbike mit Allradantrieb, das sich am Markt nicht behaupten konnte.

Oder das "Wilhelmina Plast Ibera“ (1984) aus Schweden: ein vollständig aus Plastik gefertigtes Fahrrad. Für den Gebrauch ungeeignet, denn der Rahmen verbiegt sich in der Sonne.

Embacher gönnt sich den Luxus, für seine täglichen Fahrten immer wieder ein anderes Rad aus dem Fundus zu nehmen. "Das ist das Schöne am Radfahren: Man hat Spaß, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Schließlich macht man keinen Lärm, verpestet nicht die Umwelt und raubt keine Ressourcen.“

Auch der Museumsbesucher kann sich auf eine fiktive Radreise begeben: Mit dem Musiker David Byrne. An einzelnen Stationen sind Auszüge aus Byrnes Buch "Bicycle Diaries“ zu hören, in dem er seine Eindrücke von Fahrradtouren durch Metropolen wie New York und Berlin festhält, in die er auf Konzertreisen kam.

Privat mit dem Tandem unterwegs

Ob er ein Lieblingsrad hat? Nein, sagt Embacher, allerdings benutze er eines am häufigsten. Ein Tandem. Auf dem mache er am Wochenende gerne Ausflüge mit seiner Frau. Denn sie, eine Chinesin, habe nie Fahrradfahren gelernt und interessiere sich auch nicht für die Vehikel. Beste Voraussetzung für geruhsame Ausfahrten. Die Arbeit der Woche ist getan. Kein Wort mehr über Velos. Nur in die Pedale treten, mehr nicht.

Tour du monde

Fahrradgeschichten

Museum für angewandte Kunst

MAK-Ausstellungshalle bis 6. Okt., Di-So 10-18, Di bis 22 Uhr www.mak.at

Das "Mercier Mecadurak Pélissier“, Ultraleichtbaufahrrad aus Frankreich, um 1950, ist Teil der Ausstellung.

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