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Vor vielen Augenzeugen tötet sich s schwerer

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Der Krieg in Ex-Jugoslawien mit Schwerpunkt Sarajewo wird uns seit Monaten jeden Abend via TV ins Haus gebracht, und auch die Zeitungen berichten täglich darüber. Daß die Menschen, welche uns diese Bilder und Reportagen liefern, diesbezüglich auch in Konflikt mit ihrem Berufsethos geraten, darüber weiß man nur wenig.

Deshalb war ein vor kurzem in Triest abgehaltenes Round Table- gespräch von einigen in Sarajewo arbeitenden Kriegsberichterstattern

über Ethos und Information besonders interssant. Anwesend waren unter anderen Paolo Rumiz („II Piccolo“, Triest), Ariel Dumont („L’Hu- manitė“, Paris) sowie Vertreter von verschiedenen italienischen Fernsehsendern.

„Ohne unsere Rolle überbewerten zu wollen, glaube ich sagen zu dürfen, daß wir durch unsere bloße Anwesenheit in Sarajewo ein Genozid unter der moslemischen Bevölkerung verhindert haben“, erklärte Paolo Rumiz. Er verwies auch auf die „1.000 kleinen Sarajewos“, wo mas- saker durch Serben und Kroaten nur

möglich wurden, weil dort keine Augenzeugen von den Medien aus der ganzen Welt anwesend waren.

„Das Ausmaß des aufgestauten Hasses“, sagte ein weiterer Teilnehmer, „ist mir voll bewußt geworden, als ich die Leiche eines kleinen Mädchens sah, das offensichtlich gezielt von einem Heckenschützen ermordet wurde.“ Stereotypen von den „bösen“ Serben und den „guten“ Bosniern könne man nicht anwenden, sie gingen sehr oft an der Realität vorbei.

Einige der Anwesenden waren 1991 beim Golfkrieg dabei. Dort gab

es einen eindeutigen „Feind“ - Saddam Hussein — und eine klare Front. Der damalige Konflikt hatte vitalen Charakter. Aber wie kann man den Krieg auf dem Balkan „erklären“: hier tauchen moralische Fragen auf.

Das Round Table-Gespräch fand im Rahmen von „Alpen Adria Cine- ma“ statt, eines kleinen Filmfestivals, das dem Film aus ex-sozialistischen Staaten gewidmet ist. Heuer wurden unter anderem zwei Filme aus Kroatien („Die Zeit für…“ von Oja Kodar und „Die goldenen Jahre“ von Davor Zmegac) sowie einer aus Serbien („Deserteur“) gezeigt.

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