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Porträt einer Naiven

Séraphine Louis (1864–1942) zählt zu den bedeutendsten französischen Vertreterinnen der Naiven Kunst. Martin Provost versucht in seinem mit sieben Césars ausgezeichneten Drama „Séraphine“ nicht das Leben der malenden Putzfrau nachzuzeichnen, sondern beschränkt sich auf drei zentrale Episoden, in deren Mittelpunkt der Kontakt der von Yolande Moreau mehr gelebten als gespielten Séraphine zu dem deutschen Kunsthändler Wilhelm Uhde (wunderbar zurückhaltend: Ulrich Tukur) steht. Ohne Dramatisierung entwickelt Provost durch geduldigen und genauen Blick das bewegende Porträt einer von ihrer Umwelt verachteten Frau. In den ruhigen Naturbildern ist der Film nah am Empfinden und der Malerei Séraphines, vermittelt aber andererseits in den engen Gassen, dunklen Kleidern oder der ärmlichen Kammer auch eindringlich ihre Beklemmung. Kongenial korrespondiert die einfache Erzählweise mit dem Charakter Séraphines, gleichzeitig werden aber auch grundsätzliche Fragen über die Definition von Kunst aufgeworfen. (Walter Gasperi)

Séraphine

F/B 2008. Regie: Martin Provost. Mit Yolande Moreau, Ulrich Tukur, Anne

Bennent. Verleih: Filmladen. 125 Min.

„Ostalgie“-Roadmovie

Unschwer zu erraten, worum es in einem Film geht, der den Titel „Friendship!“ trägt: „Es geht um Freundschaft, um Lachen und am Schluss um Hoffnung“, charakterisiert Regisseur Markus Goller sein „Ostalgie“-Roadmovie, das die beiden Protagonisten Tom und Veit von Ostdeutschland aus quer durch die USA führt. Dass die weltmännischen „Ossis“ bei ihrer Suche nach Veits Vater im Land der unbegrenzten Möglichkeiten rasch an ihre Grenzen stoßen, versteht sich fast von selbst – Trucks statt Trabis, Burger statt Broiler und Wolkenkratzer statt Plattenbau. Dank des gut gelaunten Darsteller-Duos Friedrich Mücke und Matthias Schweighöfer funktioniert das „East meets West“-Humorkonzept (inklusive sämtlicher Klischees) vor allem in der ersten Hälfte des Films sehr gut. Schade allerdings, dass die Wohlfühl-Atmosphäre des überfrachteten Tragikomödien-Liebes-Roadmovie-Plots den ernsthaften Hintergrund der Geschichte überdeckt. Fazit: Testosteron, Sonnenschein und lockere Sprüche statt inspirierender Freiheitssuche.

Friendship

D 2009. Regie: Markus Goller. Mit Matthias Schweighöfer, Friedrich

Mücke. Verleih: Sony; 108 Min.

Frau Bock – das lang ersehnte Gegenbeispiel zum Herrn Karl

Die Schlussszene der Kinodokumentation „Bock For President“ zeigt den ohren- und geistbetäubenden Wahnsinn der Wiener Silvesternacht – und in Kontrast dazu die Flüchtlingsbetreuerin Ute Bock, wie sie an ihrem Schreibtisch sitzt, die Katze am Schoß, und Rätsel löst. „Wir sind noch normal“, tröstet sie das verschreckte Tier, während es draußen kracht, als stehe ein Krieg vor der Tür.

Normal, das stimmt. Ute Bock ist ein sehr normaler Mensch. Nichts an Ute Bock will auffallen, nichts drängt danach, anders zu sein. Frau Bock ist nach außen hin die typische Österreicherin ihrer Altersgruppe – Nazi-Vater inklusive. Der sitzt hoffentlich auf einer anderen Seite der Wolke, seufzt Ute Bock im Film, damit er nicht mitansehen muss, was seine Tochter da herunten so macht. Das würde ihn ärgern, fürchtet sie. Aber wer sagt, dass Nazi-Väter im Himmel nicht auch genug haben von den vielen Herrn Karls ihrer und der folgenden Generationen. Genug haben von den Mitläufern und Wegschauern und froh sind über das Gegenmodell Ute Bock.

„Bock For President“ ist die lang ersehnte Antwort auf Qualtingers „Herr Karl“ – genauso ehrlich, genauso wirklich, genauso genial, aber ganz anders aufrüttelnd. Denn für Frau Bock ist das Normalste noch normal: „Man kann nur gut leben, wenn man weiß, dass es auch den anderen gut geht.“ (Wolfgang Machreich)

Bock For President – der Film

A 2009. Regie: Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari.

Verleih: Stadtkino. 90 Min.

Zauberhafte Welt

Warum das Leben auch als Erwachsener kein Honiglecken ist und auf dem Flohmarkt keine Flöhe verkauft werden, erfährt man im neuesten Leinwand-Abenteuer der Zeichentrick-Helden Pettersson und Findus. „Kuddelmuddel bei Pettersson und Findus“ ist der vierte Kino-Ausflug des aus der Feder von Kinderbuch-Autor Sven Nordqvist stammenden alten Mannes und seines sprechenden Katers. Ein idealer Film, um kindgerecht in die zauberhafte Welt der bewegten Bilder einzutauchen. (Jürgen Belko)

Kuddelmuddel bei Pettersson und Findus

S 2009. Regie: Jørgen Lerdam, Anders Sørensen. Verleih: Filmladen. 70 Min.

Brachiale Vaterfreuden

Motorische Störungen, verursacht durch vertauschte Pillen; ein Besuch im Gorilla-Käfig des Zoos, ein zu langer Aufenthalt im Pfadfinderlager, ein außer Kontrolle geratener Gruppenleiter inklusive. Wer über Nacht zum Elternteil von siebenjährigen Zwillingen wird, hat es nicht leicht, erst recht nicht, wenn man mitten in der Midlife-Crisis steckt, wollen uns John Travolta und Robin Williams überzeugen. Dan (Williams) wird sieben Jahre nach einem One Night Stand mit überraschenden Vaterfreuden konfrontiert. Da die Kindsmutter in naher Zukunft „unpässlich“ – sprich: hinter Gittern – sein wird, hat Dan den Nachwuchs zu beaufsichtigen. Gemeinsam mit seinem besten Freund und Geschäftspartner Charlie. – Zwei überzeugte Junggesellen knapp hinter ihren besten Jahren werden ordentlich aus ihrer Routine geschüttelt. in „Old Dogs – Daddy oder Deal“ lässt kaum etwas aus; schon gar nicht miese Gags, die durch alle nur denkbaren Mittel – von Musik bis Wiederholung – „intensiviert“ werden; ein Holzhammer ist dagegen harmlos. Das Feuerwerk des brachialen Humors erschlägt die Schauspielkunst des Front-Gespanns Williams und Travolta. (Nicole Albiez)

Old Dogs – Daddy oder Deal

USA 2009. Regie: Walt Becker. Mit John Travolta, Robin Wil-

liams. Verl.: Disney. 88 Min.

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