Werbung
Werbung
Werbung

Sie hilft, wo Staat und Gesellschaft auslassen. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist ein Original # und längst eine Institution: Ein Buch und ein Film dokumentieren dies.

Resch: So könnte wohl die mit Wiener Schmäh eingefärbte Charakteristik von Österreichs bekanntester Flüchtlingshelferin lauten. Stellvertreterin: Das wäre ein anderer Name für Ute Bock, denn kaum eine andere öffentliche Person im Lande steht so sehr für das schlechte Gewissen, das Österreich ob seiner Flüchtlings- und Fremdenpolitik ansteht. Mag ja sein, dass nach der Abschiebung von Kindern, dem Herausreißen #gut Integrierter# aus der Schule in die Schubhaft sich die Stimmung im Land ändert. Aber schon allein der Ausdruck #gut integriert# hat einen Beigeschmack, als ob Menschenrechte für #gut Integrierte# eher gelten würden #

Ute Bock ist eines der #guten Gesichter# des Landes. Und ein interessantes dazu, denn ihr Engagement ist weder religiös noch politisch noch ideologisch unterfüttert. Es ist die Humanität einer Frau, die es als Betreuerin für Schwererziehbare nach Biedermannsdorf/NÖ, dann als #Hausmutter# eines Lehrlingsheims in Wien verschlagen hat, und die aufgrund ihrer Menschenkenntnis, ihres großen Herzens und ihrer Beharrlichkeit zur Lichtgestalt wurde. Verrückt muss man sein. So ihre eigene und durchaus auch ihrer Vorgesetzten Charakteristik. Gleich zweimal gibt es dieser Tage publizistische Auseinandersetzung mit Ute Bock. Zweimal beachtenswert: Als kommunizierende Gefäße entpuppen sich das Buch #Ute Bock # Die Geschichte einer Flüchtlingshelferin# und der Film #Die verrückte Welt der Ute Bock#. Das Buch, das auf Gesprächen der Journalistin Cornelia Krebs mit Ute Bock basiert, ist flott und einfühlsam geschrieben, man kann es oder muss es gar in einem Zug durchlesen. Beim Film, von Ex-Schwager Houchang Allahyari in Szene gesetzt, handelt es sich um eine Fortsetzung von #Bock for President#, diesmal als Spielfilm angelegt: Denn im Dokumentarfilm von 2009 konnte Wesentliches nicht gezeigt werden: Bei Polizeieinsätzen zur Abschiebung und bei den zahlreichen Härtefällen durfte keine Kamera dabei sein. Also machte Allahyari aus den Erzählungen der Ute Bock eine Spielfilmhandlung # die Crème heimischer Filmschauspielkunst stellte sich zur Verfügung # Josef Hader, Karl Markovics, Andreas Vitásek, Julia Stemberger, Roland Düringer, Dolores Schmidinger und andere leihen den Figuren ihre Gestalt und ihre Stimme. Man entdeckt manche der Episoden, die Cornelia Krebs im Buch zu Papier gebracht hat, als Szene im Film wieder oder stößt, wenn man zuerst den Film gesehen hat, im Buch auf manches Déjà vu.

Ein Opfer der #Operation Spring# 1999

Und ist als Leser wie als Zuschauer öfter den Tränen nahe # der Wut, ob der Zustände, die in Österreich herrschen, und die niemand für möglich hielte, würde man nicht eines Besseren belehrt # auch durch Buch und Film. Ute Bock war als Leiterin des Lehrlingsheimes Zohmanngasse in Wien, wo sie auch afrikanische Jugendliche beherbergte, ein Opfer der #Operation Spring#, wo nach einer Drogenrazzia 1999 zahlreiche Schwarzafrikaner verurteilt wurden und bis zu zehn Jahren einsaßen # obwohl sowohl die Polizeiaktion als auch das anschließende Verfahren stark in der Kritik standen. #Justizskandal# # so nennt Ute Bock im Buch die Vorfälle, bei denen sie auch selbst als Mittäterin oder Mitwisserin in angeblichen Drogendelikten ins Visier geriet. Das Verfahren wurde ein-, Bock aber vom Wiener Magistrat, ihrem Dienstgeber, kaltgestellt: Sie erzählt, wie froh man 2002 war, sie in Pension schicken zu können. Seit damals kümmert sie sich ehrenamtlich und ohne Rücksicht auf eigenen Komfort oder eigene Bedürfnisse um Flüchtlinge und Migranten. Angesichts dessen, was sich im Lauf der Jahre da an Erfahrungen angesammelt hat, verwundert es, dass Bock nicht längst das Handtuch geworfen hat.

Im Film #Die verrückte Welt der Ute Bock# spielt etwa Josef Hader einen Polizisten, der in Nigeria eine Frau kennen und lieben gelernt hat: Er hat sie geheiratet und mit ihr ein Kind gezeugt. Irgendwie konnte er beide ins Land bringen und lebt in einer Doppelwelt # als Polizist in Wien, doch seine Kollegen dürfen nie etwas von seiner Familie erfahren. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr die Konfliktlinien mitten durch Familien verlaufen, ja mitunter mitten durch Menschen selber. Plastisch, aber realistisch auch der Filmemacher Peter Kern, der den zuständigen Minister spielt, zu dem Ute Bock kommt und der sie aber abschasselt.

Dazu passt wiederum die Geschichte im Buch vom SPÖ-Gemeinderat in einer der vornehmeren Gegenden Wiens, der Bock und ihren Schützlingen Räume in einem SPÖ-Lokal zur Verfügung stellt: Ein Bericht im mächtigen Kleinformat über Drogendelikte dort # Ute Bock dazu: #erstunken und erlogen# # und der SP-Mandatar findet sich in der Parteizentrale zur Kopfwäsche wieder; Bock muss aus dem Lokal ausziehen.

Absurde und böswillige Gesetzgebung

Solche Berichte finden sich in Buch und Film zuhauf, ganz abgesehen davon, dass die ganze Absurdität, besser noch: Böswilligkeit der Fremden- und Asylgesetzgebung zutage tritt: Die Asylwerber müssen sich polizeilich registrieren lassen, aber als sie bei der Behörde aufkreuzen, fliegen sie aus dem Wachzimmer # Personalmangel heißt es. Und flugs werden die #Nichtgemeldeten# drangsaliert oder in Schubhaft genommen. Oder der Bericht über einen Gehirntumor-Patienten, der just vor dem OP-Termin in Schubhaft genommen wird, dann wieder freikommt, um vor dem nächsten OP-Termin wieder im Abschiebezentrum zu landen #

Das Erfrischende an diesen Porträts in Buch- bzw. Filmform ist, dass sie keineswegs das Bild einer hehren Heiligen oder Menschenfreundin zeichnen. Sondern es tritt eine Frau mit Bodenhaftung hervor, die mit Schlagfertigkeit und einer wahrscheinlich auch lebensrettenden Portion Humor Unmögliches leistet. Denn was sie tut, ist nicht nur verrückt, sondern schlicht unmöglich. Ute Bock ist aber keine Naive und hat einen ordentlich herben Charme, der durch die Jahrzehnte der Erzieherinnentätigkeit bei sogenannten #Schwererziehbaren# gestählt ist. Dass sich diese Frau in solchem Milieu durchsetzen konnte, prädestiniert sie für die ungleich diffizilere Aufgabe, im Dschungel aus Gesetzen, Polizei, politischem Wahnsinn und himmelschreienden Schicksalen kühlen Kopf zu bewahren.

Hemdsärmelige Unterstützung

Das Hemdsärmelige dieses Engagements hat Ute Bock auch schon in # finanzielle # Schwierigkeiten gebracht, aber auch das wird bei der Lektüre und im Film klar: Die Sozialbürokratie im Lande versagt; unbürokratische, und sei es hemdsärmelige Hilfe ist ein letzter Ausweg. Und es spricht sich herum # als vor zwei Jahren einige Medien die Insolvenz des Hilfsvereins von Ute Bock herbeigeschrieben haben, ließ sich auch ein Superreicher nicht lumpen: Baulöwe Hans Peter Haselsteiner entschuldete den Verein und unterstützt dessen Gebarung logistisch und finanziell bis zum heutigen Tag. Auch dies ist im Buch von Cornelia Krebs dokumentiert und zeigt, dass das Ausharren der Ute Bock jedenfalls bis heute nicht vergebens war # auch wenn in den Angelegenheiten, für die sich diese Frau engagiert, noch so viel zu tun bleibt, dass die Kräfte einer einzelnen Person nie und nimmer auszureichen scheinen.

Ute Bock hat bis dato vorgelebt, dass dies für sie dennoch kein Hindernis darstellt. Dass sie mit bescheidenen Mitteln, aber einem schier unendlich langen Atem so viel bewegen muss, ist kein Ruhmesblatt für Staat und Gesellschaft: Wenn beide auslassen, dann gibt es ja noch die Bock # Es wäre hoch an der Zeit, dies nachhaltig anzuerkennen.

Die verrückte der Welt der Ute Bock

A 2010. Regie: Houchang Allahyari. Mit Ute Bock, Josef Hader, Karl Markovics, Julia Stemberger,

Dolores Schmidinger. Verleih: Stadtkino. 98 Min.

Ute Bock

Die Geschichte einer Flüchtlingshelferin. Von Cornelia

Krebs. Styria, 2010. e 19,95

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung