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Der Drache ist weg

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Die Sage weiß von einem Drachen zu berichten, der einst die Bevölkerung von „Lachsen-berg“ in Angst und Schrecken versetzte. Ein mutiger Jüngling aus fernen Landen erschlug den Unhold mit einem Steinblock und erhielt als Lohn ein Stück Land, auf dem er eine Burg errichtete. Auch heute noch erinnern einige Felsblöcke in der Umgebung von Laxenburg an diese Ueberlieferung; was sich damals wirklich zugetragen, weiß niemand mehr.

Auch heute wäre wieder einmal Anlaß zur Bildung neuer Legenden um Laxenburg gegeben, denn wieder ist ein schrecklicher Bann von Schloß und Ortschaft gewichen. Vor wenigen Tagen wurde Laxenburg von der Besatzungsmacht zurückgegeben, zum erstenmal seit 1947 durften österreichische Beamte das Schloß betreten, in dem Maria Theresia ihre Kinder zur Welt gebracht hat, in dem die Heilige Allianz und Pragmatische Sanktion unterzeichnet wurden und viele österreichische Herrscher die Zwangsjacke des spanischen Hofzeremoniells abstreifen durften.

Was soll mit dem weitläufigen Bau nun geschehen? Die Prunkräume sind in einem traurigen Zustand. Die prachtvollen Parketts sind rissig und verzogen, die Stuckdecken teilweise heruntergefallen, die Türen wackeln, durch morsche Dächer tropft es durch und die Steinbalustraden der Balkone sind zerschlagen. Wo Bilder hingen, bröckelt Verputz von den Wänden, und wenn man im einstigen herrlichen Speisesaal, einem eigenen Prachtbau, die Blicke vom knöchelhohen Schmutz und Schutt zur Decke erhebt, sieht man durch die Löcher im Deckenfresko geradenwegs in den baufälligen Dachstuhl hinein. Die Bilder und Möbel aus Laxenburg sind in alle Winde verstreut und wo einst zierlich vergoldete Rokokosessel um einen kostbaren Tisch herumstanden, kokettiert jetzt ein billiger Vierfarbendruck an einer Wand, über deren Stuckverzierung ein billiges Küchenmuster gewalzt wurde, mit einem verlassenen Sowjetstern, der traurig in einer Ecke lehnt.

Was soll mit Laxenburg nun wirklich geschehen? Wie sehr die Wiener Bevölkerung an Laxenburg hängt, hat schon der erste Sonntag nach der Freigabe gezeigt. Am letzten Wochenende zählte die Gendarmerie von Laxenburg etwa 5000 Menschen und mehrere hundert Autos. Die Besucher waren sehr erstaunt, als sie erfuhren, daß man schon seit Jahren wieder Kahnfahrten auf dem Teich unternehmen, die Franzensburg besuchen und im riesigen Park Spazierengehen kann.

Zunächst wird eine Kommission von Fachleuten feststellen, was die Renovierung kosten würde, erst dann wird irgendeine Entscheidung getroffen. Eines ist schon so gut wie sicher: Die Franzensburg wird, wahrscheinlich schon im Frühling, in ein Museum verwandelt. Wie viele von den Besuchern, die skh an der romantischen Atmosphäre dieser hundertfünfzig Jahre alten Phantasieburg begeistern, ahnen, daß ihr eine der prachtvollsten romanischen Kapellen geopfert wurde? Die Capella Speciosa in Klosterneuburg, ein Juwel romanischer Architektur, das man der Sainte chapelle an die Seite stellen kann, wurde abgebrochen, um die Steine in Laxenburg zu verbauen. Das eigentliche barocke Schloß Laxenburg, das jetzt öde und verfallen dasteht, ist mit der österreichischen Geschichte viel enger verbunden und würde verdienen, daß die Allgemeinheit zu seiner Wiederherstellung tief in den Säckel greift.

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