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Ein Drusenfest in Galiläa

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Als Anfang April dieses Jahres die Scheichs der Drusen in Israel für den sechsundzwanzigsten zu einem großen Fest am Grab des Stammesheiligen Abu Schuaib luden, waren die seltenen Kenner drusischer Folklore einigermaßen überrascht: das maßgebende englische Polizeiverzeichnis aller lokalen Fest- und Feiertage kennt das Fest Abu Sdiuaibs nicht. Die bekannten ältesten Leute konnten sich nicht daran erinnern, daß es seit der Türkenzeit begangen worden sei. Abu Schuaib, der traditionelle Ahnherr der Drusen, die auf dem Karmel und in Galiläa leben, schien plötzlich aus geschichtlichem Dunkel erhoben.

Dieses Dunkel klärt sich, wenn man erfährt, daß Abu Schuaib mit dem Schwiegervater des Moses identisch ist, jenem midianitischen Priester,.der in der Bibel zunächst Reguel heißt, später aber Jethro, was als ein priesterlidier Titel erklärt wird. Dieser Jethro nun, der am Sinai zu Moses kam und dem Gesetzgeber den klugen Rat gab, sich durch die Einsetzung von Richtern Zeit zu ersparen, ist dem Judentum als das Prototyp des „Ger Zaddik", des frommen Konvertiten, teuer. Stammvater des Nomadenvolkes der Keniter, die auch in Galilea ihre Herden weideten, ist er in die Folklore Palästinas eingegangen und wird als Abu Schuaib von Beduinen und Drusen verehrt.

Wenn die Drusen Galiläas in Jethro ihren Stammvater sehen, mag darin insofeme ein Rest historischer Wahrheit zu finden sein, als die Sekte der Drusen zweifellos Stämme verschiedener Abkunft umfaßt, welche im 11. Jahrhundert die durch Hamza vermittelt Lehre Hakims angenommen haben. Es gibt zum Beispiel starke Drusengemeinden, die typische Turkomanen sind, und es ist andererseits durchaus denkbar, daß die Drusen Palästinas einen alten Nomadenklan kenitischer Tradition darstellen, der die unitarische Geheimlehre aus irgendeinem Grund angenommen hat. Diese These ist noch immer einleuchtender als jene andere, die im 16. Jahrhundert den Stammbaum der Drusen auf versprengte Kreuzritter zurückführte,

In den zahlreichen Araberaufständen der Mandatszeit stellten die Drusen starke Kontingente zu den Banden des berüchtigten Fawzi KauodjL Im Palästinakrieg merkten ne rasch, wo das Brot gebuttert war. Da Djpjgn kn Krieg einfach nicht m Hause bleiben können, bildeten sie eine Formation der Israelarmee, die sich ausgezeichnet schlug. Diese Drusenkrieger rückten vollzählig zum Fest des Ahnherrn aus, an der Schulter der battle dress ihr Abzeichen, die gekreuzten Handjars und den Silberstern, auf den Kriegsbannern gewaltige Davidsterne. Die Stammesflagge der Drusen enthält übrigens alle Farben des Regenbogens und derart die Farben jeder beliebigen Macht, mit der sich zu verbünden sie für richtig halten könnten.

Mich interessierte die Feier am Grab des Heiligen und so wagte ich es, auf elenden Wegen zu dem alten Drusenheiligtum hinauszufahren.

Das Grab Jethros liegt in einer verborgenen Felsschlucht der „Hörner von Hattim", einem erloschenen Vulkan, dessen Krater ein schattiges Rasenamphitheater hoch über dem galiläischen See bildet, welches der Pilgertradition als Stätte der Bergpredigt teuer ist. Der Grabbau mit seinen Kuppeln und Terrassen, einem orientalischen Felsenkloster ähnlich, nistet an der Felswand über einer reichen Quelle. Lage und Felsbearbeitungen deuten an, daß (wie so oft in Palästina) das Drusenheiligtum an der Stelle viel älterer Kultstätten liegt. Der Bau geht ins Mittelalter zurück. Es mag wohl sein, daß die Schlacht von Hattim anders ausgegangen wäre, wenn die Drusen diese geheime Quelle den verschmachtenden Rittern vertaten hätten.

Von seiner Religion scheint der Durdi- schnittsdruse nicht mehr zu wissen, als daß es einen einzigen Gott gibt und es dem Drusen gestattet ist, sich nach Bedarf als Angehöriger. jeder anderen monotheistischen Religion zu erklären. Im Falle der Auswanderung nach Amerika, wo eine starke Drusenkolonie besteht, tnagen sie sich stets als nestoria- nische Christen ein. Als „Eingeweihte" gelten die Angehörigen einer erblichen Priesterkaste, die „Aqils“, ehrwürdige Gestalten mit weißen Kürbisturbanen, rundgeschnittenen Silberbärten, aber erstaunlich schlauen Blinkenaugen. Sie sind vor allem weltlich Führer der Gemeinden und scheinen keinerlei kultische Funktionen auszuüben. Am Grabe des Ahnherrn beschränkten sie sich darauf, jedem Drusen, der den Kenotaph geküßt und eine Spende gageben hatte, einen Streifen der alten rotsei denen Sarg- decke als Amulett zu erkihga. Die neue

Sargdecke übrigens weist einen riesigen gestickten Stern Davids auf, der nun zum Leitmotiv der drusischen Ornamentik geworden ist. Der Grabraum selbst hat eine mohammedanische Gebetsnische, ein Miriiab, in der gegen Mekka gerichteten Wand, so daß er im Falle religiöser Verfolgung als Moschee erklärt werden kann.

Es war uns derart vergönnt gewesen, zum erstenmal einen der geheimnisvollen

„Khawals", der Versammlungshäuser der Drusen, zu betreten, aber unsere Kenntnis der drusischen Geheimlehre war damit nicht bereichert. Eher hatten wir etwas von der Psychologie eines Völkchens gelernt, das nun entschlossen ist, sein Eigenleben mit den Tricks primitiver orientalischer Staatskunst zu wahren, nachdem die Brüder in Syrien mit den Waffen üble Erfahrungen gemacht haben...

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