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Portugals Kirche schwenkt ein

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Portugals Kirche, deren niederer Klerus bereits seit geraumer Zeit protestierende und sogar oppositionelle Strömungen aufweist, deren Hierarchie — mit gezählten Ausnahmen — eine verläßliche Stütze des „Estado Novo“ Salazars war, zeigt unverkennbare Angleichungsbestrebungen an die Liberalisie- rungspolitik Caetanos und geht teilweise sogar über deren Ziel im positiven Sinne hinaus.

Die soeben beendete portugiesische Bischofskonferenz gab erstmalig seit vielen Jahren eine formelle Erklärung über die Bürgerrechte ab. In ihrem Schlußkommunique befassen sich die Bischöfe besonders eindringlich mit den Rechten und Werten der Staatsbürger und der Vereinigung der kirchlichen Kräfte zur Förderung einer „weitergespannten Garantie der Bürgerrechte“. Als ersten Schritt in dieser Richtung will die Bischofskonferenz die wegen Mißfallensäußerungen von seiten des Regimes vor Jahren unterbrochenen „Sozialwochen“ der Katholischen Aktion, die bekanntlich auf der Iberischen Halbinsel als linksgerichtet gilt, wieder einführen.

Cerejeiras „Testament“

Selbstverständlich heißt dies nicht, daß Portugals protestierende Kirche damit den bischöflichen Segen erhalten hat. Sie wird weiterhin als „desintegrierender Faktor“ angesehen. Aber die Erklärung der Bischofskonferenz bedeutet eine Befreiung von den engen, staatsverbundenen Prinzipien ihres Patriarchen, des Lissabonner Kardinals Cerejeira, eines persönlichen Freundes £5ala- zars und bis noch vor kurzem der unbestrittenen Autorität der portugiesischen Kirche. Cerejeira nahm diese Niederlage mit der einzig mög lichen Haltung hin: Wenige Stunden vor dem Kommunique der Bischofskonferenz veröffentlichte er einen emotionsgeladenen Aufruf an die Disziplin des portugiesischen Klerus, in dem er mit „weinender Seele“ über die protestierende Geistlichkeit seines Landes klagt.

Besonders schmerzlich treffen ihn dabei die drei jüngsten Manifestationen dieser Haltung: die Teilnahme portugiesischer Geistlichkeit an der Römer „Gegensynode“, das vom 24. bis 26. November in Fatima stattgefundene Treffen dieser Priester und die steigende Zahl der sogenannten „Heiimkirchen“, die, in Privatwohnungen installiert, sogar zur Abhaltung der Messe benutzt werden. Dieser Aufruf des 81jährigen Kardinals, der bereits im Vorjahr beim Papst um seine Demissionierung eingereicht hat, wird in Portugals Kirchenkreisen als sein Testament gewertet und darüber hinaus als klares Anzeichen dafür angesehen, daß Cerejeira sich aus Erkenntnis des Unvermögens der Anpassung an den Ceatanismüs und an die Fortschrittlichkeit der portugiesischen Kirche von seinem Amt zurückzuziehen gedenkt. Seine Nachfolger werden bereits genannt: entweder die als liberal geltenden Bischöfe von Funchal (Madeira) und Aveiro oder der erst im Mai dieses Jahres nach achtjährigem, von Salazar erzwungenem Exil zurückgebehrte Bischof von Porto, Msgr. Antonio Ferreira Gömes.

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