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Versöhnung der Vertriebenen

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Frühjahr 1945: Über die Pässe und durch die Täler des Böhmerwaldes hastet ein Strom von Flüchtlingen, die von einem jener nationalen Ausbrüche, die die Geschichte Böhmens immer wieder durchflammen, über, die Grenze getrieben werden; Vortrab eines Dreimillionenvolkes auf leidens- und schmerzvoller Wanderung.

Drei Jahre später suchte eine neue Hücht- lingswelle durch die Lücken, die ein verschneites Waldgebirge auch in einer dreifachen Sperrkette öffnet, bayrischen Boden zu gewinnen. Jene dreitausend Tschechen, denen diese abenteuerliche Flucht gelang, wurden in die gleichen Flüchtlingslager eingewiesen, welche vor ihnen die Sudetendeutschen aufgenommen hatten. Vergeltende Gerechtigkeit? Schnelle Rache des Fatums? Nein, vielleicht erwächst aus dieser Prüfung ein hoffnungsvolles Drittes.

Wie aus München berichtet wird, veranstalteten dort tschechische Emigranten mit vertriebenen Sudetendeutschen eine gemeinsame Feier anläßlich des sechs hundertsten Jahrestages der Gründung der Universität in Prag, jener Universität, die unter den „vier Nationen“, die ihr Statut kannte, keine deutsche und keine tschechische, sondern eine gemeinsame „böhmische" besaß. Es mag noch sehr weit dahin sein, bis dieser

Geist der Zusammengehörigkeit und der Versöhnlichkeit sich über beide Völker ausgedehnt haben wird. Um so mutiger ist der Versuch, nach dem verschütteten Weg zu schürfen, auf dem einst Volk neben Volk durch Jahrhunderte zu gemeinsamem Erfolg und Glanz emporgestiegen war.

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