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ZWEIMAL RADETZKY

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„Radetzky war mit einer Gräfin Strassoldo verheiratet, war privat niemals glücklich gewesen, warf das Geld mit vollen Händen buchstäblich aus dem Fenster hinaus; von seinen acht Kindern hat ihm nur seine Tochter Fritzi Freude gemacht, denn sein ältester Sohn, der es nicht über den Oberst hinausgebracht hatte, war ein Alkoholiker und Krakeeler, der mit dem Titel eines Generalmajors in Pension geschickt wurde dieser große Mann ist in gänzlicher Armut gestorben war ein Spieler. Mit einer Verschwenderin verheiratet, hat er sein ganzes Leben in Geldsorgen verbracht. 17 Jahre bekam er seiner Schulden wegen nur die halbe Gage ausbezahlt Im Jahre 1816 schien es mit seiner Karriere aus zu sein. Aus besonderer Gnad' tat ihn der Kaiser nach Oedenburg als Divisionär Er richtete sich ein Gärtchen ein, pflanzte Blumen und schrieb lange Briefe, endlose Abhandlungen, die niemand las, saß im Kaffeehaus und spielte Hasard Noch einmal - zum letztenmal - zahlte der Kaiser seine Schulden '

Steht so und nicht anders zu lesen in der Broschüre „Der Heldenberg, die auf diesem Nationalkriegerdenkmal Oesterreichs an jedermann, auch an Schüler und junge Menschen, verkauft wird. Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: Otto Kundermann, Ziersdorf 269

„Im übrigen bin ich der Ueberzeugung, daß sich den Beinamen ,Vater' nur ein Feldherr erwerben konnte, der in seiner Lebenshaltung so typisch vertrat, was den Oesterreicher ausmacht .. In Vater Radetzkys Leben und Wir-

ken sehen wir diese Eigenschaften in seltener Fülle vereint, darum neigen wir uns in Ehrfurcht heute wie unsere Vorfahren vor hundert Jahren vor diesem großen Oesterreicher " Lind: „Einzigartige Volkstümlichkeit Radetzkys, beruhte auf seltenen Gaben humaner und ritter

lieber Denkungsart, von wahrer Bildung und Ehrgefühl Wie kein zweiter Feldherr und Staatsmann wurde Radetzky von Herrscherhaus, Volk und Armee dankbarst und ge- bührendst geehrt "

Und so weiter. Woher wir das haben? Aus den Festreden, die am 15. September bei einer Radetzky-Feier auf dem Heldenberg gehalten wurden.

War Radetzky ein großer Soldat — und ich zweifle nicht daran —, dann muß die genannte, als offizieller Heldenberg-Führer verkaufte Broschüre ganz schlicht und einfach als grobe Diffamierung bezeichnet werden, doppelt peinlich im Radetzky-Jubiläumsjahr.

Was man unserer Jugend über ihre Großen in die Hand gibt, muß aus einem anderen Geist und in einem anderen Stil geschrieben sein als in jenem der Heldentöter und Salonreporter.

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