Im US-Süden brennen bis heute Kreuze

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Vor 150 Jahren wurde in den Südstaaten der berüchtigte Ku-Klux-Klan gegründet, dessen Ideologie heute in den USA bei den Weißen Suprematisten weiterlebt - und auch im Europa der Flüchtlingsdebatten präsent ist: Ausgrenzen von "Anderen" feiert fröhliche Urständ.

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Vor 150 Jahren wurde in den Südstaaten der berüchtigte Ku-Klux-Klan gegründet, dessen Ideologie heute in den USA bei den Weißen Suprematisten weiterlebt - und auch im Europa der Flüchtlingsdebatten präsent ist: Ausgrenzen von "Anderen" feiert fröhliche Urständ.

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West Madison Street, Pulaski, Tennesse. An dem Haus Nr. 205 hängt eine viereckige Plakette - doch mit der Schriftseite zur Wand. Hier wurde am 24. Dezember 1865 der Ku-Klux-Klan gegründet, von sechs Ex-Offizieren der konföderierten Armee in der Anwaltskanzlei von Judge Thomas M. Jones. 1920 wurde die Plakette von den "Daughters of Confederacy", dem Verein der Nachfahrinnen von Veteranen der Konföderierten, zur Erinnerung angebracht. Als das Haus 1990 einen neuen Besitzer bekam, ließ der die Plakette nicht entfernen, sondern umdrehen - aus Protest gegen die Aktivitäten des Klan. Denn der Ku-Klux-Klan ist keine historische Erscheinung, das "Invisible Empire" ist bis heute aktiv. Die Hackergruppe Anonymous hat im November 2015 eine Liste von Personen veröffentlicht, von denen es heißt, sie seien "Ritter" in den verschiedenen Fraktionen des "Unsichtbaren Reiches".

Der ursprüngliche Ku-Klux-Klan hat sich in viele kleine Gruppierungen aufgespalten. Bis heute brennen Kreuze im Süden der USA, und in der Stadt Charleston in South Carolina, einer alten Hochburg des Klan, hat im Sommer 2015 ein junger Weißer neun Afroamerikaner in einer Kirche ermordet, "um die Herrschaft der Weißen zu retten". Der Ku-Klux-Klan ist mehr als ein Verein - "White Supremacy", der Anspruch der "weißen Rasse" auf Vorherrschaft ist ein Denkmuster, das viele Köpfe beherrscht, und nicht nur in den USA. Es tritt in verschiedensten Formen auf - in Slogans populistischer rechter Gruppierungen genauso wie in Diskussionen der europäischen Flüchtlingsdebatte.

Christen gegen Schwarze, Juden, Katholiken

Die Klansmen sehen sich als Christen. Zur ihrer Signatur gehören seit den 1920er-Jahren bodenlange weiße Gewänder mit spitzen Kapuzen, die das Gesicht des Trägers verdecken und angsterregend aussehen. Ihr Ziel ist die Bewahrung "amerikanischer Werte", ihre Gegner und Opfer waren und sind nicht nur Afroamerikaner, sondern auch Katholiken, Juden und Kommunisten und Bürgerrechtskämpfer.

Unmittelbar nach Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs 1865 und der Aufhebung der Sklaverei sollte der "Black Code" den Schwarzen gleiche Rechte sichern. Das wollten die Klanleute, selbst oft Angehörige "besserer" Schichten, verhindern. Verkleidungen waren nicht das einzige Mittel des "Weißen Terrors" der 1860er- und 1870er-Jahre. Mit Überfällen, Auspeitschungen, Lynchjustiz und sadistischen Foltern - Kastration, Aufschlitzen schwangerer Frauen usw. sollten die schwarze Bevölkerung und ihre Unterstützer aus den Nordstaaten eingeschüchtert werden. Die amerikanische Regierung musste ein Anti-Ku-Klux-Klan-Gesetz verabschieden und 1871 sogar Truppen in den Süden senden, um den Klan zu bekämpfen. Doch als verbotene Organisation lebte er unter neuen Tarnnamen weiter und verbreitete Terror, bis 1890 die "Jim-Crow-Gesetze" eingeführt wurden. Die schrieben die Rassendiskriminierung fest: Afro-Amerikaner sollten separate but equa, getrennt aber gleich, behandelt werden. Faktisch bedeutete das eine Fortschreibung der Sklaverei. "Onkel Toms Hütte", aber z. B. auch die Romane von Toni Morrison zeigen die Unterdrückung der Farbigen.

Ku-Klux-Klan im 20. Jahrhundert

Ein Film führte zur Reanimation des KKK: 1915 kam "Birth of Nation" in die US-Kinos und wurde ein Hit - ein Film über die Situation in den Südstaaten nach dem Bürgerkrieg. Die Schwarzen, gespielt von Weißen mit gefärbten Gesichtern, wurden als unintelligent und sexuell aggressiv dargestellt, der Ku-Klux-Klan dagegen heroisch. Der Klan lebte wieder auf, diesmal als Geschäftsidee: Filmregisseur Simmons gründete seinen eigenen Klan. Der war in seiner besten Zeit eine "gewaltige Geldvermehrungsmaschine"(R. Martin). Ein Verlag, eine Zeitung, eine Textilfabrik für die Kutten, Immobiliengesellschaften und für kurze Zeit sogar eine Universität gehörten zu dem Imperium des "Imperial Wizard", des "Kaiserlichen Zauberers", wie sich Simmons nannte. Nach Intrigen und Skandalen wurde das Unternehmen 1939 verkauft.

Der KKK sympathisierte nun mit den Nazis, worauf die US-Steuerbehörde 1944 riesige Rückzahlungen forderte. Der Klan löste sich auf - und ging unter anderen Namen weiter. Während der Bürgerrechtsbewegung 1954-67 intensivierten die verschiedenen Ableger des "Unsichtbaren Reichs" ihren Terror. Der Kongress musste auf Gesetze von 1871 zurückgreifen, um die Führer des Klans vor Gericht zu bringen. Doch auch das war nicht das Ende: Heute ist der Klan ein Konglomerat von kleinen Organisationen mit internationaler Verbindung zu Weißen Suprematisten.

Als der indische Adelige Itesamuddin um 1767 in London lebte, wichen ihm die Kinder gelegentlich aus. Wegen seiner dunklen Hautfarbe dachten sie, er sei der Teufel. Teufelsanbeter nannten die weißen spanischen Eroberer die farbigen Azteken, und die weißen Missionare sahen in den Gottheiten nicht-europäischer Menschen öfter einmal den Teufel. Der Teufel ist, wie Kurt Flasch in seinem neuen Buch nachzeichnet, eine vielschichtige Gestalt. Als Philosoph und Historiker des mittelalterlichen europäischen Denkens zeigt Flasch, dass die Erscheinung des Teufels "den mentalen und historischen Bedingungen seines jeweiligen Gebrauchs" entspricht. Der Teufel, so Flasch, war bis in die Neuzeit ein wesentlicher Teil der "philosophisch-theologisch-juristischen Vorstellungswelt" des europäischen Gesamtsystems.

Die Funktion des Teufels ist vor allem eine gruppendynamische und auch gesellschaftspolitische: "Er schloss Gruppen zusammen und half, ihre vermeintlichen oder wirklichen Feinde zu dämonisieren." Die Identifikation einer Gruppe mit dem Teufel war Werkzeug der Machtpolitik: man sagte nicht nur Juden und alten Kräuterweiblein nach, sie seien mit dem Teufel im Bund. Die geistlichen und weltlichen Führer des Ersten Kreuzzugs schrieben dem Papst im September 1099, sie hätten erfolgreich die "Kräfte der Sarazenen und des Teufels" geschlagen.

Die Muslime waren für sie "Teufelssöhne" - "Andere", die man ausgrenzen und auch töten konnte, weil sie "des Teufels" waren. Es ist schade, dass Flasch diesem Aspekt der Stigmatisierung der Anderen, Farbigen, Nicht-Europäer in seinem spannenden Buch keine Aufmerksamkeit schenkt. Man könnte daraus für die Debatte um ein Europa der Einwanderer viel lernen.

Teuflische Ideologie kehrt zurück

Der Teufel verlor mit der Aufklärung an Macht, denn seine vielschichtige und widersprüchliche Gestalt hielt einer rationalen Analyse nicht stand. Der Glaube der Aufklärung an die Macht der europäischen Vernunft aber brachte den "Rassismus der Weißen" hervor. "Farbige" seien arbeitsscheu, unintelligent, sexuell aggressiv, so lauten die negativen Stereoptype aus dem Vokabular der Kolonialherren.

Die aufgeklärten Leugner des Teufels waren zugleich schlimme Rassisten, wie man an Gottfried Wilhelm Hegel oder Immanuel Kant sehen kann. Rassismus wurde zu einem dominierenden politischen Motiv des 19. und 20. Jahrhunderts. Heute werden die Stereotype der White Suprematists reanimiert: Europa fürchtet sich vor den "Anderen".

Keine guten Zeiten fürs "Kind in der Krippe": Denn auch Jesus wäre - nach den Kriterien der White Suprematists - ein Farbiger.

Der Teufel und seine Engel

Die neue Biographie Von Kurt Flasch. C. H. Beck 2015. 462 Seiten, geb., € 27,80

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