Der Christian Science Monitor stellt nach 100 Jahren die Printausgabe ein und erscheint nur noch online. 13,1:12,3 Millionen Zuschauer für die Wahlnacht. Nur ABC hält CNN noch stand: In den USA ist das Geschäftsmodell traditioneller Medien nicht bloß bedroht. Es kämpft um seine inhaltliche Existenz. Ein Leben nach dem Tod. Wenn dies Glaubenssache ist, liegen Himmel und Hölle im Internet. Denn der Christian Science Monitor, vielleicht ein Seelenverwandter der FURCHE, gilt als eines der renommiertesten überregionalen Tagblätter der USA. Doch die Auflage des vielfachen Pulitzer-Preisträgers ist seit 1970 von 200.000 auf 50.000 gesunken.
Exitus. Nun geht’s um visits. Die bisher zwei Millionen Homepage-Besuche pro Monat müssen sich verzehnfachen. CNN hatte allein in der Wahlnacht 27 Millionen unique clients im Web. Dagegen schaut ABC so alt aus wie sein Online-Auftritt. Dem noch reichweitenstärksten nationalen TV-Anbieter nutzt auch die Kooperation mit der Washington Post wenig gegen den Kabelsender CNN: Das größte network und das angesehene quality paper bieten verlässliche Umfragen und Information. Das reicht nicht im Wettbewerb mit der usability des Netzauftritts der jüngeren Konkurrenz. Deren TV-Fraktion setzt auf ältere Tugenden – zurückhaltende Sicherheit. CNN wartete am längsten, bis es einen Bundesstaat als entschieden meldete.
Im bimedialen Pingpong komplementär die Stärken des Internets nutzen: Diese Strategie gilt für Fernsehen wie Printmedien, die sich dabei lange im Vorteil sahen. Doch die meisten Zeitungen haben ein Jahrzehnt zur Online-Neuerfindung von Schriftlichkeit vertan. Bandbreite, Audio- und Video-Inhalte bringen nun das Fernsehen in Internet-Vorteil. Doch es unterliegt großteils dem gleichen Irrtum wie schon die Blattmacher: Zweitverwertung des alten Mediums. Das funktioniert nicht. CNN zeigt in sich den Unterschied. Der Christian Science Monitor wagt als letzte Chance den Salto mortale ohne papierenes Netz – ins Netz.
Der Autor ist Medienberater, Politikanalyst und Publizist.
