Werbung
Werbung
Werbung

Es ist die gleiche Geschichte, die gleiche Zeit, der gleiche Triumph, das gleiche Grauen. Und doch kommt es auf den Standpunkt des Betrachters an, darauf, ob er auf dem Ulrichsberg, dem Kahlenberg, auf den Gipfeln der Hohen Tatra oder auf dem Hradschin steht. Fast 60 Jahre nach dem Ende des Blutbades Zweiter Weltkrieg traut sich Mitteleuropa endlich Rückschau zu halten und - um es mit einem hässlichen Wort zu sagen - aufzuarbeiten.

Vorbei die Zeit des Vertuschens, des Verschleierns, des Wegschiebens und des Leugnens. Kein Gericht, sondern Gerechtigkeit! Zu all den Restitutionen, versuchten Wiedergutmachungen (wie wenn man ein ausgelöschtes oder verdorbenes Leben wieder gut machen könnte), halbherzigen Entschädigungen wirft Europa eine Frage auf: die nach Recht, Unrecht, Wirkung und Folgen der so genannten BeneÇs-Dekrete.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Führungsmannschaft der Tschechischen Republik und die der Slowakei sich an die Brust klopfen wird: Wieso sind sie entstanden, diese Dokumente der Rache, wer hat sie so blutig vollstreckt? Man wird mauern und starr bleiben. Wir taten das auch ziemlich lange. Wir, die "Befreiten". Nur zögernd wird man gestehen, dass Unrecht und Verbrechen begangen wurden, mörderische Sadisten ihrem Blutrausch, ihrer Rache, ihrer Gier gefrönt haben.

Vertreibung, Demütigung, Raub, Schändung, Mord: Es gibt keine Entschuldigung. Verbrecherbanden in Partisanenuniformen hier, "Herrenmenschen" dort. Ganze Völker wurden ausgemordet. Zigeuner, Juden, Polen, Russen hier, Deutsche, Ungarn dort. Feuer, Rauch, Blut, Qual überall. Mörder waren unterwegs und Idioten gedenken ihrer heute noch in Ehrfurcht.

Aber: es gibt keine Kollektivschuld, es gibt kein in seiner Ganzheit verbrecherisches Volk. Für die Deutschen aus der ehemaligen ÇCSSR gilt das Gleiche wie für die gequälten Juden Europas: Man hat an ihnen ein unsagbares Verbrechen begangen. Und da gibt es nur eine Linderung: um Verzeihung bitten. Und Gott um Vergebung. Es wird schwer sein, den immer wieder neu angefachten Hass, die Tränen der Wut zu schlucken, aber es muss begonnen werden, um Verzeihung zu bitten. Nicht vergessen - verzeihen auch hier. Wir müssen gemeinsam beten lernen, wenn wir gemeinsam leben wollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung