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BESUCH BEI BRAHMS

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Der 25jäUrige, in Wien noch gänzlich unbekannte Rom-Preisträger schieb einen Brief an Brahms und erhielt keine Antwort. Zweimal klopfte er an seiner Wohnung an. Einmal hieß es, der Meister sei unpäßlich, ein andermal, er sei beschäftigt. Schließlich verspricht die Gattin eines der Sekretäre der französischen Gesandtschaft in Wien, ihm aus dem Dilemma zu helfen... Man trifft sich endlich bei der Dame zum Essen.

. .. Nachdem man einander vorgestellt war, knurrte Brahms Debussy an: ,,Sind Sie der Franzose, der mir schrieb und zweimal in meiner Wohnung vorsprach?“ Debussy nickte liebenswürdig. „Gut, diesmal verzeihe ich Ihnen noch“, erklärte Brahms, „aber versuchen Sie es nicht noch einmal.“ Während des Essens brachte Brahms nicht ein einziges Wort heraus. Als er jedoch einige Glas französischen Champagners getrunken hatte, meinte er, das sei der berühmteste Wein der Welt, und zitierte aus Goethes Faust:

„Man kann nicht stets das Fremde meiden,

Das Gute liegt uns oft so fern.

Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,

ßoch ihre Weine, trinkt er gem...“

Schließlich, nach einem weiteren Treffen, war das Eis gebro-chen, und Brahms bot sich sogar an, Debussy zu den Musikstätten Wiens zu führen ... Sie besuchten die Gräber von Beethoven und Schubert, das Konservatorium, die berühmte Manuskript- und Autographensammlung der Kaiserlichen Bibliothek. Bevor Debussy Wien verließ, besuchte er Brahms nochmals in seiner Wohnung. Diesmal war er „zu Hause“, wünschte Claude „bon voyage“ und eine erfolgreiche Zukunft und umarmte den jungen Franzosen wie einen Sohn. Fr meinte, auch ein bärbeißiger alter Junggeselle könne die gleichen väterlichen Gefühle haben wie ein glücklicher Ehemann ...

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