Prinzessinnen für eine Nacht

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Viele junge Tanzbegeisterte zieht es in die Balleröffnungskomitees. Es ist nicht nur das großartige Gemeinschaftserlebnis, das lockt.

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Viele junge Tanzbegeisterte zieht es in die Balleröffnungskomitees. Es ist nicht nur das großartige Gemeinschaftserlebnis, das lockt.

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Wenn sie sich auch mokieren über Jahrmärkte der Eitelkeit oder ungeliebte gesellschaftliche Verpflichtungen, selbst die größten Zyniker unter den Ballbesuchern bleiben nicht unberührt, wenn der Dirigent seinen Taktstock hebt und das Jungdamen- und Jungherrenkomitee einmarschiert. Bildhübsche junge Damen, die sich für eine Nacht in Prinzessinnen in Weiß verwandeln, junge Herren, denen der schwarze Frack und die weißen Handschuhe seriöse Reife verleihen. Ob die Skaterhosen, in denen Buben an junge Hunde erinnern, die noch in ihr Fell wachsen müssen, ausgedient haben, mag sich da so manche Mutter fragen. Und jenem Vater, der diskret um freie Sicht auf die Tanzfläche ringt, ist die stolz geschwellte Brust von weitem anzusehen. Mit dem Signal "Alles Walzer" schreiten dann die anderen Gäste zur Tat.

Möglich, dass jetzt der eine oder andere Tänzer in stiller Dankbarkeit seiner Tanzschule gedenkt, die ihn auf die Gefahren des glatten Parketts vorbereitet hat. Mehr als 200 Bälle ermöglichen es in Wien, die Ballsaison sprichwörtlich durchzutanzen. Glaubt man jungen Tänzern aus den Eröffnungskomitees, so geben einige unter ihnen ihr Bestes, das auch zu schaffen. "Es gibt richtiggehende Cliquen, die zum Teil bestimmte Bälle immer wieder eröffnen oder zum Beispiel mit uns schon 20 Bälle in einer Saison gemacht haben", weiß der Leiter der Tanzschule Elmayer, Thomas Schäfer-Elmayer. "Dafür muß ein Komitee allerdings auch sehr viel arbeiten." An die 30, vom Ball Alt-Kalksburg, den Ball der Wiener Philharmoniker, dem "Offiziersball" über den Wiener Opernball bis zum legendären Elmayer-Kränzchen, dessen Erlös alljährlich wohltätigen Zwecken zukommt, eröffnet Wiens nobelste Tanzschule in dieser Saison. "Das heißt, wir müssen etwa 150 Ballproben machen" vermittelt der Enkel des legendären Tanzschulgründers Willy Elmayer-Vestenbrugg eine Vorstellung von dem damit verbundenen Aufwand.

Wie viele seiner Kollegen (nicht alle Tanzschulen streben Eröffnungen überhaupt an) betrachtet er seine Arbeit als wichtigen Anteil am gesellschaftlichen Leben in Wien. "Wir wollen mitverbessern und unseren Anteil leisten. Der finanzielle Aspekt ist eigentlich Nebensache. Wir bieten unseren Jugendlichen die Möglichkeit an sehr vielen Balleröffnungen teilzunehmen und das ist, als positiver Nebeneffekt natürlich wieder ein Grund dafür, überhaupt in eine Tanzschule zu gehen."

Ähnlich denkt auch Simone Rueff-Jell: "Ich finde das gehört dazu, denn wir geben ein Kulturgut weiter." Wenn sie merkt, dass allzuviel durchtanzte Nächte Schule und Studium beeinträchtigen versucht sie auch schon einmal zu bremsen. "Aber jedes unserer 110 Paare kommt zum Zug." Was zieht junge Leute in die Komitees? Zunächst die Tanzfreude und das Gefühl bei solch festlichem Geschehen der bewunderte Mittelpunkt zu sein. Dazu kommt, dass man sich oft mit Freunden gemeinsam in die, in den Tanzschulen aufliegenden Listen einschreibt und neue Freundschaften knüpfen kann. Nicht zuletzt gibt es auch noch einen finanziellen Aspekt. In ein Eröffnungskomitee aufgenommen zu werden, bedeutet die exklusivsten Ballveranstaltungen Wiens gratis oder zu ermäßigten Eintrittspreisen besuchen zu dürfen. "Es ist einfach toll", begeistert sich ein junger Eröffnungsprofi von der Tanzschule Elmayer, "man trifft sich bei den Proben, geht gemeinsam aus, hat am Ball seine eigene Garderobe, in die man auch seinen Sekt mitbringen kann - als Schüler hat man ja nicht soviel Budget zur Verfügung." Selbst Erwachsene, deren Tanzschulzeit schon länger zurückliegt, wie zum Beispiel der Medienbeauftragte des Österreichischen Tanzsportverbandes Johannes Biba, geraten bei der Erinnerung an diese besondere Atmosphäre ins Schwärmen: "Es ist ein großartiges Gemeinschaftserlebnis. Zwischendurch geht man von der Garderobe hinaus in die Glitzerwelt des Balles. Dann trifft man sich wieder "backstage" und ist unter sich."

Das Vergnügen hat allerdings auch einen kleinen Haken: das Vortanzen. Im Grunde ist es nicht schwierig in eines der vielen Komitees aufgenommen zu werden. Man sollte den Walzer beherrschen, was nach dem Grundkurs durchaus möglich ist. Doch je begehrter die Bälle, umso härter werden die Ausleseverfahren. Ungeschlagener Favorit ist natürlich der Wiener Opernball. "Jeder möchte zu diesem Ball. Er wird in der ganzen Welt gezeigt und ist quasi ein Wahrzeichen von Wien", sind sich auch die Elmayer-Schüler bewußt. Und einer von ihnen hat auch gleich Trost parat: "Voll wie Tokio in der Stoßzeit. Man kann dort sowieso nicht tanzen."

Beinharte Auslese 160 Paare werden den Wiener Operball heuer zu den Klängen eines Carl-Michael-Ziehrer-Walzers eröffnen. Sie sind die Auswahl aus rund 500 Interessenten, die sich alljährlich im Wiener Opernballbüro anmelden. Robert Hysek seit 1981 Zeremonienmeister dieses schillernden Ballereignisses teilt sich nach der Auslese in der Tanzschule Elmayer die Vorbereitung mit dem Choreographen der Eröffnung Klaus Mühlsiegel. Die beiden unterrichten jeweils eine Gruppe und fügen das Komitee erst bei den Endproben in der Oper wieder zusammen.

Der Besuch einer Tanzschule ist bei anderen Bällen mit ein bißchen Fleiß ein leichterer, aber nicht unbedingt sicherer Zugang. Der elitäre Techniker-Circle zum Beispiel wird nur von Mitgliedern eröffnet. Oder Ballveranstalter, wie jene der Rudolfiner-Redoute bitten Tanzschulen, in diesem Fall die Tanzschule Rueff, die eigenen, selbst ausgewählten Leute zu unterrichten. Doch auch wenn es gerade nicht klappen sollte, jeder Ball kann zu einem besonderen Erlebnis werden. "Es kommt immer darauf an, mit welchen Leuten man dort ist und was man persönlich aus dem Abend macht", so der Rat eines erfahrenen Ballhasen aus der jugendlichen Tanzschulszene.

Der eine schwärmt für den lustigen und ungezwungenen "Jägerball" mit seinem Trachtenpotpourri vom Modedirndl bis zur kurzen Lederhose, der andere vom distinguierten Flair am Wiener Philharmonikerball. Naschkatzen lockt es zum "Zuckerball" und dem "Bonbonball" und für die gesellschaftliche und berufliche Zukunft tanzfreudiger Studenten könnte neben den Bällen der großen Standesgruppen, der Ärzte, Pharmazeuten und Juristen auch der Ball der Wirtschaftsuniversität interessant sein. "Er genießt auch im Ausland einen außergewöhnlichen Ruf", so Andreas Zenker, Wirtschaftsredakteur der Zeitschrift "Die Presse" und einer der besten Ballkenner Wiens.

So reisen hier vor allem die großen internationalen Beratungsunternehmen an, wie zum Beispiel im letzten Jahr Boston Consulting oder Anderson-Consulting, welche gleich 200 Karten für ihre internationalen Gäste erwarb. "Die großen Firmen stellen dort Kontakte auch zu Studenten her. Man redet in lockerer Atmosphäre über Netzwerke, schließt nicht unbedingt Geschäfte ab, aber fädelt etwas ein", rückt Zenker, den, wie er sagt "von den Medien unterschätzten Ball" ins richtige Licht.

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