Selbstgefällige Schimäre, unbedachtes Spiel

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Zweimal Theater im Theater in der Wiener Volksoper: Hans Werner Henzes "Das Wundertheater“ und Ruggero Leoncavallos "Der Bajazzo“, diesmal auf Deutsch und ohne "Cavalleria rusticana“.

Warum immer das Gewohnte, dachte man sich im Haus am Währinger Gürtel, kombinierte damit den Verismo-Reißer "Bajazzo“ nicht wie üblich mit Pietro Mascagnis "Cavalleria rusticana“ sondern mit einem weit weniger bekannten zeitgenössischen Opus "Das Wundertheater“ von Hans Werner Henze. Zufall hat man dabei keineswegs walten lassen. Denn da wie dort handelt es sich um Theater im Theater, und auch Gewalt fehlt - noch dazu jeweils am Ende der Stücke - nicht.

Bei beiden Stücken handelt es sich außerdem um Lehrspiele. Bei Henze (gespielt wird die zweite Version seines 1949 uraufgeführten Opernerstlings) erfährt man, wie es einem ergeht, wenn man nicht mit der Masse schreit, obwohl man unbestritten objektiv im Recht ist. Bei Leoncavallo, wie es ausgehen kann, wenn man zu spät erkennt, dass aus einem gefährlichen Spiel längst lebensbedrohender Ernst geworden ist.

Überraschenderweise überzeugt der in der Kulisse des Zuschauerraums der Volksoper (Bühnenbild: Thomas Schulte-Michels, der jeweils auch Regie führte) gespielte "Bajazzo“ mehr als Henzes "Das Wundertheater“ vor der Pause. Zum einen, weil - mit Ausnahme des vokal überforderten, schlampig phrasierenden Morten Frank Larsen als enttäuschender Tonio - mit Ray M. Wade Jr. (Canio), Melba Ramos (Nedda) und dem prägnant artikulierenden Mathias Hausmann (Silvio) für die Hauptrollen eine sehr ordentliche Besetzung zur Verfügung steht. Zum anderen, weil die Regie die Geschichte klar nachzeichnet, schlüssig auf die finale Dramatik hinzielt und dabei auch noch mit originellen Pointen aufwartet, die das Geschehen dennoch nicht überfrachten. Etwa dass die Choristen zuerst als Putzmannschaft auftreten, um schließlich zu Zuschauern des vermeintlichen Spiels zu werden. Spätestens da erkennt man den Grund, warum diesmal das Geschehen in einen Zuschauerraum transferiert wurde.

Plakativer Witz

Dass Henze einen bitterbösen Text von Cervantes vertont hat, wird in der Inszenierung von Thomas Schulte-Michels, der sich dafür im Wesentlichen eine Zuschauertribüne als Schauplatz hat einfallen lassen, weniger deutlich. Zu sehr setzt er auf plakativen Witz, fokussiert seine Sicht auf das in aller Selbstgefälligkeit auftretende Wundertheaterdirektorpaar Chanfalla und Chirinos (exzellent Jörg Schneider und Martina Dorak) und den etwas klamaukhaft behandelten Musiker Knirps (Paul Schweinester).

Betont anonym bleiben die euphorisch das angebliche Wundertheater - in Wirklichkeit eine unsichtbare Schimäre, die angeblich nur in christlicher Ehe Gezeugte dechiffrieren können - immer wieder preisenden Kommentatoren, was durch den Gleichklang der Kostüme (Tanja Liebermann) noch unterstützt wird. Auch der dieses Stück gleichfalls durchziehende Konflikt zwischen Christen- und Judentum wird kaum erkennbar. Schließlich wird der Soldat (souverän Nicolaus Hagg) nicht zuletzt deswegen ein Opfer der aufgebrachten Zuschauer, weil man in ihm einen Juden wähnt.

Thomas Böttcher hatte die Chöre für die beiden Werke gut einstudiert, sehr ordentlich auch die Leistung des Orchesters, das diesmal gleich zwei Dirigenten anvertraut war. Denn Gerrit Prießnitz führte es mit viel Geschick durch die auf der Idee einer Zwölftonreihe basierende, als Aneinanderreihung von Charakterstücken angelegte Partitur Hans Werner Henzes, Enrico Dovico schwungvoll durch Ruggero Leoncavallos allemal effektvollen Zweiakter.

Weitere Termine

13., 15., 18., 22., 25. April

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