Teufelskreis statt Ringelspiel

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Franz Molnárs "Liliom" im Theater in der Josefstadt.

Bonjour, tristesse. Unwillkürlich fällt einem angesichts der jüngsten "Liliom"-Inszenierung des Theaters in der Josefstadt dieser Romantitel ein. Der polnische Regisseur Janusz Kica lässt die Vorstadtlegende, deren Milieu und Grundton sich vom übrigen Werk des Unterhaltungsdramatikers Franz Molnár deutlich abhebt, wie eine griechische Tragödie abrollen. Das "patscherte Leben" - und Sterben - des Hutschenschleuderers Liliom wirkt nicht wie ein Ringelspiel-Spaß, sondern wie ein circulus vitiosus, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Liliom, Frauenschwarm und Kraftlackel (für Liegestütze auf einem Arm erhält Herbert Föttinger Szenenapplaus), verliert den Job, weil er die junge Julie gegenüber Frau Muskat, seiner Chefin und Geliebten, in Schutz nimmt. Bei Akazienduft (nicht einmal in dieser Szene lässt Kica Romantik aufkommen) werden die beiden ein Paar und lassen sich - beide arbeitslos - bei Julies Verwandten nieder. Als Julie schwanger wird, will Liliom mit der Beute eines Raubmordes, den der Ganove Ficsur mit ihm plant, ein neues Leben anfangen. Das Verbrechen misslingt, Liliom ersticht sich, landet im Fegefeuer und verpatzt zuletzt auch seine Chance, bei einem Erdenbesuch seiner Tochter eine Freude zu machen.

Kein Spielraum

Schon das Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer, in dem eine Wellblechwand und Container, die je nach Beleuchtung bunt oder fahl monochrom wirken, dominieren, offenbart den engen Spielraum, den die handelnden Personen haben. Zur ernsten, unsentimentalen Musik von Stanko Juzbasic kommt keine Vergnügungsparkstimmung auf. Dieser "Liliom" ist auf dem Weg von Georg Büchners "Woyzeck" zu Ödön von Horváth angesiedelt.

Die Regie lässt die Personen manchmal lange stumm agieren. Das dehnt zwar die Aufführung, erhöht aber die Aufmerksamkeit und macht die Problematik augenfällig: die Unfähigkeit der Menschen - sicher nicht nur, aber vornehmlich im gezeigten Milieu -, offen miteinander zu sprechen, Gefühle zu zeigen, Anerkennung und Kritik auszutauschen. So werden Schläge, auch solche, "die man nicht spürt", Mittel der Kommunikation. Als Liliom erfährt, dass seine Geliebte Julie ein Kind erwartet, drückt er seine Empfindungen aus, indem er mit der Lederjacke mehrmals auf den Boden trommelt.

Schläge als Kommunikation

"Liliom" ist eines jener bekannten Werke, wo die Darsteller ständig gegen frühere - meist schon tote, aber beim Publikum unvergessene - Protagonisten anspielen müssen. Mit der nötigen Mischung aus rauer Schale und weichem Kern hält Herbert Föttinger solchen Vergleichen durchaus stand. Mit einfachen Gesten und Blicken zeigt er immer wieder, was für ein großartiger Schauspieler er ist. Wirkt er zum Teil zu intelligent für die Rolle, so trifft das noch mehr auf Maria Köstlinger (Julie) zu. Sie spielt bemerkenswert, aber es müsste noch mehr von innen, nicht vom Kopf kommen.

In weiteren Rollen brillieren vor allem Sandra Cervik (eine grandios von der Landpomeranze zur bürgerlichen Dame mutierende Marie), Traute Hoess (eine lebensechte Frau Muskat), Stefan Matousch (ein Bilderbuch-Ficsur), Adelheid Picha (eine resolute Frau Hollunder) und Kurt Sobotka (ein fürwahr himmlischer Polizeikonzipist).

Viel Premierenapplaus.

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