Weibliche Lebensentwürfe

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Barbara Frischmuths Heldinnen - interssant in ihren Widersprüchen.

Barbara Frischmuth *1941

Schriftstellerin

Seit Barbara Frischmuths erstem Buch "Die Klosterschule" (1968) ist ein umfangreiches Lebenswerk entstanden mit einer Vielzahl von Romanen, Erzählbänden, Hörspielen, Kinderbüchern und Übersetzungen. Kein Zweifel, sie ist aus dem heimischen Literaturbetrieb nicht wegzudenken, aber vielleicht auch nicht so präsent, wie es ihr gebührte.

Wollte man eine Kontinuität im Werk Frischmuths suchen, könnte man es mit formalen wie inhaltlichen Kriterien versuchen. Weibliche Lebensentwürfe in der Generationenfolge - das ist ein Thema, das ihr Werk durchzieht, und das sie immer neu und oft mit unorthodoxen Mitteln abhandelt. Es begann mit der 1979 bis 1981 erschienenen Amy-Sternwieser Trilogie, die vor allem als literarischer Bericht über das Leben der Frauen in unserer Gesellschaft gelesen wurde. Zum Thema Frauenliteratur antwortete Frischmuth auf die etwas ungeschickte Frage einer Interviewerin vor kurzem mit großer Unaufgeregtheit so: "Warum soll ich etwas anderes schreiben als Frauenliteratur - Ich bin eine Frau".

Frauenliteratur, spielerisch

Diese Trilogie begründete auch einen anderen Traditionsstrang in ihrem Erzählwerk, der in der Rezeption ebenfalls zu vielen Missverständnissen geführt hat. Barbara Frischmuth kümmert sich wenig um Fragen der "Wahrscheinlichkeit" beim Knüpfen der Handlungsfäden und bekennt sich immer wieder offen zur prinzipiellen "Gemachtheit" literarischer Welten. Da können eben die Grenzen zur Welt der Saligen und Alpenkönige durchlässig werden und es dürfen Zufälle aller Art eintreten, um die Figurenkonstellation so zu arrangieren, dass die Autorin ihre Beispielfälle wunschgemäß organisieren kann. Es ist ein spielerisches Moment, das Freiheitsgrade schafft, das ein Augenzwinkern enthält und an Traditionen weiblichen Erzählens anknüpft. Zu denen gehört ganz wesentlich der Kriminalroman, den Autorinnen wie kaum ein anderes Genre von Anfang an mitgeprägt haben. Mit Krimi-Strukturen experimentiert Frischmuth in vielen ihrer Bücher, und wenn in der Kritik zu "Die Entschlüsselung" (2001) immer wieder angemahnt wurde, dass die Protagonistin viel zu betulich andauernd Tee und Kekse serviere, dann haben die Kritiker ihre Agatha Christie nie gelesen und nicht verstanden, dass hier ein literarisches Spiel betrieben wird.

Den "Preis für Toleranz", den ihr der österreichische Buchhandel in diesem Jahr zugesprochen hat, würdigt eine andere Konstante in ihrem Werk. Nicht nur als Übersetzerin und Kulturvermittlerin, auch als Autorin hat sich Barbara Frischmuth immer wieder der Welt des Islam zugewandt. Ohne Anbiederung nimmt sie mit ihren Büchern Stellung zu aktuellen Debatten über Multikulturalität, die "Zweite Generation" oder das hochgeschaukelte "Kopftuch"-Problem.

Und was Frischmuth in beiden kulturellen Ambientes immer wieder gelingt, sind starke Frauenfiguren, die keine Erfolgsfrauen sein müssen. Ihre "Heldinnen" sind meist voller Widersprüche und stehen oft als reichlich unrunde Charaktere vor dem Leser. Das macht sie mitunter glaubwürdiger und interessanter als viele der so gern Prosecco trinkenden Figuren aus der Lifestyle-Szene.

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