Wenn’s ums Erben geht, ist der Pointen kein Ende

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Im Theater an der Wien widmet man sich Giacomo Puccinis selten aufgeführtem "Il trittico“ und landet insbesondere mit dem Finale, der brillanten Erbkomödie "Gianni Schicchi“, einen fulminanten Erfolg.

Ein akut auftretendes Rückenleiden war der Grund, dass nicht Kirill Petrenko, sondern Rani Calderon bei dieser Puccini-Produktion an der Spitze des gut studierten ORF-Radio-Symphonieorchesters Wien und des gewohnt vorzüglichen Arnold-Schoenberg-Chors stand. Schließlich ist der junge Israeli einer der wenigen Dirigenten, die das gesamte "Trittico“ im Repertoire haben. Was keine Selbstverständlichkeit ist. So spielt man in der Volksoper nur "Il tabarro“ ("Der Mantel“) und "Gianni Schicchi“, während die Staats-oper "Gianni Schicchi“ mit Schönbergs "Jakobsleiter“ kombiniert.

Schwester Angelika im Gulag

Beide Häuser machen damit einen Bogen um den Mittelteil dieses um Mord, Selbstmord und Tod wie Verfehlung kreisenden Triptychons, "Suor Angelica“. Dabei gehörte diesem Stück Puccinis besondere Vorliebe. Auch bei der Inszenierung im Theater an der Wien, bei der man Damiano Michieletto, dem Regisseur der wenig gelungenen Salzburger Festspiel-"Bohème“, wieder begegnete, wurde man den Eindruck nicht los, dass das Regieteam mit dem Stück nichts Rechtes anzufangen weiß. Neu ist es nicht, ein Kloster zu einem Gefangenenlager umzudeuten, nur sollte man wissen, zu welchem Sujet eine solche Lesart passt. "Suor Angelica“ in eine Gulag-Atmosphäre zu tauchen, wie es hier (in Koproduktion mit Det Kongelige Teater Kopenhagen) gezeigt wird, geht an der Intention des Stücks vorbei, in dem vorrangig Metaphysisches angesprochen wird, Visionen deutlich werden sollen. Nicht die Handlung, sondern die Atmosphäre dominiert diesen Einakter.

Das ist auch schon der einzige wesentliche Einwand gegen diesen Abend, den Petrenko wohl mit mehr Gespür für die irisierenden Farben der Partitur, flexibleren Tempi und differenzierterer Dynamik geleitet hätte als der vor allem für eine akkurate Korrespondenz zwischen Bühne und Orchestergraben sorgende Calderon. Ohnedies wird diese Produktion, die in einem größeren Haus ihren musikalischen Charme gewiss besser entfalten könnte, von der Szene dominiert. Um die Gemeinsamkeit der drei Stücke zu betonen, ließ sich Michieletto von Paolo Fantin eine Containerlandschaft bauen. Sie bietet nicht nur das entsprechende Ambiente für den im Pariser Hafen spielenden "Tabarro“, sondern verwandelt sich in "Suor Angelica“ zu einer schmucklosen Zelle und überdimensionierten Waschküche und in "Gianni Schicchi“ zu einem mehrstöckigen, sehr italienisch eingerichteten Wohnhaus, das am Ende zurückgeklappt wird, womit die ursprüngliche Containerarchitektur wieder sichtbar wird.

Ebenso klug ist es, unmittelbar vom Schluss von "Il tabarro“ zu "Suor Angelica“ überzuleiten. Schließlich ist auch die Darstellerin der untreuen Giorgetta mit jener der in Selbstmord endenden Schwester Angelika - beide Male emphatisch nachempfunden von der amerikanischen Sopranistin Patricia Racette - ident. Dass Gianni Schicchi am Schluss mit jenem Mantel erscheint, mit dem in "Il tabarro“ Michele den von ihm ermordeten Luigi (lautstark Maxim Aksenov) zugedeckt hat, passt ebenfalls in dieses Inszenierungskonzept. Folgerichtig hat man auch für diese beiden Hauptpartien denselben Darsteller engagiert: Roberto Frontali, der mit seiner Bühnenpräsenz, Artikulationsklarheit und - nicht zuletzt als Gianni Schicchi - gestischen Virtuosität die übrigen Darsteller hoch überragt.

Virtuose Komödianten

Überhaupt: So knallhart-realistisch Michieletto "Il tabarro“ inszeniert, so problematisch er sich "Suor Angelica“ nähert, so packend, weil gleichermaßen witzig wie ironisch, lustvoll wie komisch, ist ihm "Gianni Schicchi“ gelungen. Auch dank solcher virtuoser Komödianten wie (der schon als Prinzessin in "Suor Angelica“ vorzüglichen) Marie-Nicole Lemieux, des köstlichen Arztes von Rupert Bergmann oder des verschrobenen Notars von Dario Giorgele. Ekaterina Sadovnikova gibt eine bagschierliche Lauretta, Paolo Fanale ihren noch um Eigenprofil ringenden Liebhaber und späteren Gatten Rinuccio. Rollendeckend die übrige Besetzung.

Weitere Termine

18., 20., 23. Oktober

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