Die Wahrheit ist immer noch das Beste

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Bei der Volksopernneuproduktion der Puccini-Einakter "Der Mantel“ und "Gianni Schicchi“ gab der Direktor des Hauses Robert Meyer sein gelungenes Debüt als Musiktheaterregisseur.

Jahrelang verfolgte Giacomo Puccini die Idee eines aus drei Einaktern bestehenden Opernabends. In den ersten Klavierauszug-Gesamtausgaben wird man den Titel "Il trittico“ vergeblich suchen. Auch später veröffentlichte Puccinis Verleger Ricordi die drei Stücke, "Il tabarro“ ("Der Mantel“), "Suor Angelica“ ("Schwester Angelika“) und "Gianni Schicchi“, getrennt. Immer schon Argument genug, um nur Teile dieses Tryptichons an einem Abend aufzuführen oder mit anderen Stücken zu kombinieren. Wie zuletzt in der Wiener Staatsoper, wo "Gianni Schicchi“ mit Schönbergs "Jakobsleiter“ auf dem Programm stand.

Tatsächlich haben die drei Einakter wenig miteinander zu tun: "Der Mantel“ spielt zur Zeit Puccinis, "Schwester Angelika“ Ende des 17., "Gianni Schicchi“ Ende des 13. Jahrhunderts. Trotzdem verwendet Puccini stets die gleiche Stilistik, nimmt in "Der Mantel“, wo er Zitate aus seiner "Bohème“ einstreut, und "Gianni Schicchi“, worin er sich als "Tristan“-Kenner ausweist, Anleihen bei Strawinskys "Petruschka“.

Ohne "Schwester Angelika“

Auch thematisch liegen die Stücke weit auseinander: Sie reichen vom Eifersuchtsdrama über das Rührstück bis zur Komödie - der einzigen, die Puccini je geschrieben hat, an meisterhaftem Zugriff und moralisierendem Inhalt mit Wagners "Meistersingern“ und Verdis "Falstaff“ vergleichbar.

Weil "Schwester Angelika“ das (vor allem im Finale) am wenigsten gelungene dieser Stücke ist und sich am Beispiel von "Der Mantel“ und "Gianni Schicchi“ der Bogen von der Tragödie zur Komödie eindrucksvoll spannen lässt, hat man sich im Haus am Währinger Gürtel entschieden, nur diese beiden Einakter herauszubringen. Selbstverständlich auf Deutsch. Das bedeutet gegenüber der Originalsprache stets Abstriche, kommt aber dem Publikum entgegen, das vor allem auf die zahlreichen Pointen von "Gianni Schicchi“ unmittelbarer reagieren kann.

Robert Meyer, der sich erstmals als Opernregisseur versucht, lässt sich keine Chance entgehen, die Lacher auf seine Seite zu ziehen. Wobei die Protagonisten weniger wie Singschauspieler wirken denn als souveräne Schauspieler, die auch sängerisch etwas zu sagen haben. Meyer führt sie nicht nur im Tempo der Musik, sondern verlangt ihnen auch ein ganzes Arsenal an Gesten ab, an denen vorweg erkennbar wird, wozu sie bereit sind, nur um zu ihrem Erbe zu kommen.

Konzentriert wird das Geschehen dadurch, dass Meyer den Einakter im salonähnlich gebauten Sterbezimmer (Christof Cremer) von Buoso Donati - köstlich dargestellt von Hermann Lehr - spielen lässt. Martin Winkler gibt umwerfend komisch die Titelpartie, Bernarda Bobro ist eine reizvolle Lauretta, Sebastian Reinthaller ein Charme versprühender Rinuccio, Sulie Gerardi mimt glaubhaft die hantige Zita, Andreas Daum den Exbürgermeister Simone. Die Liste ließe sich unschwer fortsetzen. Auch die übrigen Protagonisten - wie Daniel Schmutzhard als Marco oder die ihre letzte Volksopernproduktion bestreitende Edith Lienbacher als Nella - fügen sich ideal in dieses spielfreudige Ensemble, das vom Orchester unter Enrico Dovico schwungvoll, manchmal mit unpassender Laustärke unterstützt wird.

Unmittelbare Wirkung

Dass man mit der Wahrheit stets am besten dran ist, demonstriert auch Puccinis Einakter "Der Mantel“ - dieses schließlich tödlich ausgehende Dreiecksspiel zwischen dem Schleppkahnbesitzer Michele (rollendeckend Sebastian Holecek), dessen Frau Giorgetta (exzellent Melba Ramos) und deren Liebhaber, dem von ihrem Mann angestellten Hafenarbeiter Luigi (nicht immer artikulationsklar aber höhensicher Michael Ende). Christof Cremer hat dafür ein naturalistisches, stets dunkel ausgeleuchtetes Einheitsbühnenbild entworfen. Meyers Regie zielt wiederum darauf, das Agieren der einzelnen Personen und damit die Handlung unmittelbar erfahrbar zu machen. Möglichst selbstverständlich präsentieren sich die Auf- und Abgänge, zu plump gerät Luigis Herausfallen aus Micheles Mantel. Und auch Enrico Dovico könnte Chor und Orchester differenziertere Töne und mehr Präzision abverlangen.

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