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LIN PIAO / CHINAS ZWEITER MANN

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„Wir beenden uns in einem totalen Bürgerkrieg, wir müssen entschlossen kämpfen!“ Diesen militanten Aufruf erließ vor einigen Tagen Lin Piao, Chinas Verteidigungsminister und Maos „engster Waffenbruder“ — bis vor kurzem nur einigen wenigen Chinaexperten ein Begriff, nun die treibende Kraft hinter den Roten Garden und vielleicht schon in kurzer Zeit als Nachfolger Mao Tse-tungs Diktator des bevölkerungsreichsten Staates der Erde.

Lin Piao stammt weder aus einer Bauern-, noch aus einer Proletarierfamilie, sein Vater besaß einen kleinen Handwerksbetrieb in der Provinz Hupeh. Doch für den 1908 geborenen Lin gab es nur eine kurze Zeit des relativen Wohlstandes; sein Vater machte Bankrott und zog nach Shanghai. Dort besuchte Lin die Mittelschule und schloß sich revolutionären Kreisen an. Zuerst hatte er gute Kontakte zur Kuomintang Tschiangkaischeks, doch mit 17 Jahren entschloß er sich endgültig für die Kommunisten. 1927, als zwischen Tschiangkai-schek und den Kommunisten die erste große Auseinandersetzung begann und die „Rote Armee der Arbeiter und Bauern“ gebildet wurde, wurde Lin Offizier. Ein jahrelanger Kleinkrieg in Südchina und die Teilnahme am legendenumrankten „langen

Marsch“ nach dem Norden ließen

Lin rasch die militärische Stufenleiter emporklettern. 1936 war er bereits Kommandant der Militärakademie der Roten Armee und einer der engsten Mitarbeiter Maos. Bei den Kämpfen gegen die Japaner schwer verwundet, kam Lin zwischen 1938 und 1941 als Rekonvaleszent in die Sowjetunion.

Die Niederlage Japans brachte wieder den Kampf zwischen Kommunisten und Kuomitang zum Aufflackern. 1947 war Lin Kommandant der „Befreiungsarmee“ in der Mandschurei, und 1950, nach dem Sieg der Roten Armee im Bürgerkrieg, stand er wieder an der Spitze einer Armee in der Mandschurei: Er kommandierte die chinesischen Streitkräfte, die in Korea gegen die Truppen der Vereinten Nationen kämpften. Kaum war der Koreakrieg zu Ende, mußte Lin wieder in die Sowjetunion, um von einer schweren Tuberkulose geheilt zu werden. „Was immer seine Erfahrung dort gewesen sein mag, als er 1955 wieder im Politbüro erschien, war er kein prosowjetischer Enthusiast“, schreibt der

Publizist Edgar Snow, der Lin Piao persönlich kennt. Lin wurde immer mehr zum Wortführer der antisowjetischen Linie innerhalb der chinesischen KP, und als sich diese Richtung durchsetzte, wurde er an Stelle des prosowjetischen P'eng Teh-huai Verteidigungsminister. Lin begann sofort mit der „Redemokratisierung“ der Armee — dos hieß totale Unterordnung der Armee unter die Partei. Rangabzeichen wurden abgeschafft und die Werke Mao Tse-tungs, des „größten Genies des gegenwärtigen Zeitalters“ (so nennt ihn Lin), wurden zur Pflichtlektüre der Soldaten.

1966 war das Jahr des beginnenden Machtkampfes im roten China. Mao Tse-tung mobilisierte die Roten Garden, Lin Piao übernahm ihr Kommando und wurde so zum wichtigsten Verbündeten Maos. Welches Ende die Wirren in China nehmen werden, ob die Allianz Mao-Lin siegreich bleibt, oder deren Gegner; das wird man wohl am wenigsten aus der europäischen Perspektive vorhersagen können.

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