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Neun verkohlte Leichen
Nachrichten aus verläßlichen sowjetischen Quellen zufolge, ist Lin-Piaos Tod neuerlich durch Nachforschungen bestätigt worden; der Kreml hält jedoch mit ihrer Veröffentlichung zurück.
Warum die Russen dies tun, bleibt Gegenstand verschiedenster Mutmaßungen, wobei diese von der Annahme, man wolle Mao Tse-tung in Ungewißheit halten, bis.zur Vermutung, man wolle ihm damit einen Gefallen tun, reichen. Eine Mitschuld der Russen an Lins Abkehr vom Regime kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden.
Die kommunistische Führungsgruppe Chinas, die im letzten September durch den scheinbaren Abfall des 64jährigen kommunistischen Helden ihren Verteidigungsminister,
Vizevorsitzenden und Nachfolger des Vorsitzenden Mao verloren hat, wagte bis heute nicht, öffentlich zuzugeben, daß der Marschall in Ungnade gefallen war. Derzeit wird lediglich mitgeteilt, daß eine der neun verkohlten Leichen, die nach dem Absturz eines chinesischen Jet-Transportflugzeuges in der Mongolei, 100 Meilen von der Grenze entfernt und offensichtlich auf dem Kurs von Peking in die Sowjetunion, gefunden worden waren, bereits vor langer Zeit als Lin-Piaos Körper identifiziert worden sei. Unter „Mongolei" ist dabei die „Mongolische Volksrepublik" gemeint, eine von den Sowjets beherrschte Pufferzone an Chinas Grenze.
Ein Identiflzierungsbericht über die Leichen ist allerdings nie veröffentlicht worden und die kurze Nachricht vom Flugzeugabsturz war mit unglaubwürdigen Details ausgeschmückt. Die Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verkohlt gewesen.
„Dokumente und Waffen" seien gefunden worden. Später wurde auch von Schüssen berichtet, die an Bord des Flugzeuges abgegeben worden sein sollen — Zeichen für den Versuch einer Flugzeugentführung.
Was in den neuesten Nachrichten hinzugefügt wird, ist, daß die Russen mit Hilfe von Röntgen- und zahnärztlichen Aufnahmen aus einem Spital in Rußland, in welchem man Lin-Piao gegen Tuberkulose zu einer Zeit behandelt hatte, als die Beziehungen zwischen China und Rußland noch gut waren, festgestellt hätten, daß sich Lin tatsächlich unter den durch den Flugzeugabsturz umgekommenen Personen befunden habe.
Putsch im Herbst
In einem früheren Bericht schien die Möglichkeit mit der Begründung, daß es sich bei den neun Opfern um wesentlich jüngere Personen als Lin gehandelt habe, ausgeschlossen worden zu sein.
Nach dem Nachtflug der britischen
Trident am 12. September 1971 ist der zivile und militärische Flugverkehr über dem rotchinesischen Festland für einige Wochen eingestellt worden, was von elektronischen Überwachungsgeräten auf nationalchinesischen Flugplätzen bestätigt wurde.
In Hongkong kamen deshalb Gerüchte in Umlauf, nach denen es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Lin und Mao hinsichtlich der „Entspannung" mit den Vereinigten Staaten (als möglicher Herausforderung eines militärischen Angriffes durch die Sowjets) gekommen sei, nach denen Lin einen Staatsstreich für den „Nationalfeiertag", den 1. Oktober, geplant und im weiteren daran gedacht habe, an Mao „Hand anzulegen".
Angesichts der damals bevorstehenden Abstimmung über Pekings Aufnahme in die UN mußte in Rotchina Ruhe bewahrt werden. Die Feiertagsparade zum 1. Oktober war mit der Begründung von Sparmaßnahmen abgesagt worden.
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