#Das ist der unnötigste Rat#

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Die Psychoonkologin Gabriele Traun-Vogt hält gar nichts von dem oft geäußerten Rat an KrebspatientInnen, positiv zu denken, um zur Heilung ihrer Erkrankung beizutragen. Sie spricht gar von einem #Terror des positiven Denkens#.

KrebspatientInnen würden schon allergisch auf den Rat reagieren, positiv zu denken, erklärt Gabriele Traun-Vogt im Interview. Warum?

Die Furche: Frau Doktor Traun-Vogt, wie sinnvoll ist es, jemanden, der an Krebs erkrankt ist, zu raten: Bitte, denk positiv!

Gabriele Traun-Vogt: Das ist aus meiner Sicht der unnötigste Rat, den man jemandem geben kann, der gerade mit der Diagnose Krebs konfrontiert wurde. Die ersten Reaktionen sind emotionaler Schock und existenzielle Angst. Da geht es darum, diese Belastung und diesen Schock über die Diagnose zu bewältigen und zu bearbeiten. In dem Moment zu sagen #Denk positiv!# ist ungefähr genauso effizient wie, wenn jemand einen Krampfanfall hat, und man sagt: #Sei locker!# Die Lebensbedrohung und die Angst sind so präsent, dass alle Energien auf die Bewältigung dieser Gefühle gerichtet sind. Es wäre völlig illusorisch, dass jemand in so einer Situation noch positive Energien schöpfen kann. Es ist also zum Zeitpunkt der Diagnose die unnötigste und kontraproduktivste Mitteilung, die man machen kann.

Die Furche: Warum?

Traun-Vogt: Wenn es diese Patientin nicht schafft, positiv zu denken in dieser Situation, in der das eigentlich unmöglich ist, dann kommt oft noch die Reaktion hinzu: Die Therapie verläuft nicht gut, weil du nicht positiv genug gedacht hast. Das impliziert, dass Krebs durch positive Gedanken in irgendeiner Weise positiv beeinflusst werden kann. Das funktioniert schlicht und einfach nicht, weil Krebs, speziell Brustkrebs, keine psychosomatische Krankheit ist. Das heißt, die Ursache für Krebs ist nicht, dass jemand zu wenig positiv gedacht hat, depressiv war oder gestresst. Es gibt viele verschiedene Ursachen. Es mag sein, dass die Psyche eine Rolle spielt, aber keine zentrale.

Die Furche: Und wie ist es im weiteren Verlauf der Behandlung?

Traun-Vogt: Ich halte es aus meiner langjährigen professionellen Erfahrung mit Brustkrebspatientinnen für enorm wichtig, dass man mit jenen Gefühlen, die im Verlauf der Diagnose und Behandlung auftreten, arbeitet. Das sind Gefühle von Trauer, Wut, Zorn und Fragen wie: Warum ich, warum jetzt, warum diese Krankheit? Diese Gefühle sind normale Stufen der Verarbeitung. Ich halte es für vollkommen verfehlt, diesen Prozess des psychischen Verarbeitens zu unterbrechen, indem man sagt: Nein, das darfst du nicht zulassen, du musst positiv denken. Zorn, Wut und Angst sind in so einer Situation angemessene Gefühle. Es geht darum, auf seine Gefühle zu hören, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und zu versuchen, die Dinge zu bewältigen. Aber natürlich besteht meine Arbeit darin, behandlungsnötige Zustände wie Angst, Depression oder Schlafstörungen zu behandeln, um die Lebensqualität der Patientin zu verbessern.

Die Furche: Warum ist dieser Glaube an die Kraft des positiven Gedanken dennoch so verbreitet?

Traun-Vogt: Das kommt daher, dass es früher diese Persönlichkeitstheorien gegeben hat, um die Entstehung von Krebs zu erklären. Diese besagen, dass eine eher negativ denkende Persönlichkeit schuld sein könnte. Diese Theorien sind seit 15 Jahren wissenschaftlich gesehen mausetot. Trotzdem geistern diese Theorien in der Bevölkerung und sogar bei Ärzten noch herum. Es ist bei Krebs schwierig einzuordnen, warum jemand erkrankt. Genau dieses Unkontrollierbare ist schwer auszuhalten. Daher gibt es das Bedürfnis, die Krankheit irgendwie kontrollierbar und erklärbar zu machen.

Die Furche: Würden Sie sagen, dieser Rat, positiv zu denken, sollte daher überhaupt nicht mehr ausgesprochen werden?

Traun-Vogt: Viele Krebspatientinnen reagieren schon allergisch auf diesen Rat. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sich im Freundeskreis nach der Diagnose die Streu von Weizen trennt. Es gibt die, die damit umgehen können, konkrete Hilfe anbieten und Verständnis haben, auch wenn man über die Therapie klagt. Andere können mit der Diagnose und den Klagen der Betroffenen nicht umgehen und sagen: #Du musst nur positiv denken. Lass dich nicht so hängen.# Damit ist das Thema beschnitten und die Person, die das sagt, hat das Gefühl, ich habe meinen Job gemacht. Nur kann die Person, die davon betroffen ist, nichts damit anfangen. Das ist der Grund, warum wir auch vom #Terror des positiven Denkens# sprechen. Es ist wirklich ein Terror, wenn man Menschen, die ohnehin schon belastet sind, zusätzlich unter Druck setzt: #Du bist selber schuld, wenn du es nicht schaffst. Aber das ist nicht mein Problem, sondern deines.#

* Das Gespräch führte Regine Bogensberger

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