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Das Coming-Out Homosexueller ist ein lebenslanger, auch schmerzvoller Prozess.

Ein homosexueller Politiker als Kanzler oder Kanzlerin von Österreich - wäre das nun endlich möglich? "Wenn derjenige populär genug wäre und das Wahlprogramm stimmt, warum nicht", meint Kurt Krickler, Generalsekretär der HOSI-Wien optimistisch.

Im westeuropäischen Ausland sei dieses Thema ohnehin längt gegessen, sagt Krickler. "Da kräht kein Hahn mehr danach, ob jemand schwul ist oder nicht. Sicher wäre es in Österreich beim ersten Mal ein großes Thema, ein paar Homestories würden folgen, aber dann würde es niemanden mehr interessieren." Das Klima für homosexuelle Menschen und damit für ihr Coming Out habe sich in den letzten Jahren stark gebessert, stellt Krickler fest. Auf den ersten schwulen Politiker/die erste lesbische Politikern in heimischer Spitzenposition wartet man aber noch.

Umstrittenes Outing

Das Coming-Out, als selbst bestimmter Zeitpunkt, die Homosexualität öffentlich zu machen, muss vom Outing unterschieden werden. Hier geht es um das unfreiwillige Öffentlichmachen der Homosexualität einer Person - eine auch innerhalb der Community umstrittene Praxis.

Krickler selbst hatte 1995 für Schlagzeilen gesorgt, als er und andere Aktivisten einige katholische Bischöfe als Menschen mit homosexueller Tendenz geoutet hatten und damit eine heftige Diskussion über diese Methode sowie über Homosexualität an sich ausgelöst hatten. "Das war gerechtfertigt", sagt Krickler heute, denn die homosexuelle Neigung der hohen geistlichen Würdenträger sei damals wie heute im krassen Widerspruch zur homophoben Einstellung der Kirche gestanden. "Rabiate Homophobe sollen geoutet werden," ist Krickler überzeugt. Ganz gewöhnliche Personen wiederum, die sich über ein Coming-Out nicht drüber trauen, natürlich nicht. Krickler sieht auch mögliche Auswirkungen auf heute. Der Vorstoß der VP-Perspektivengruppe nach einer eingetragenen Partnerschaft wurde von der Kirche "auffällig zurückhaltend" kommentiert. "Vielleicht nimmt die Kirche die ÖVP in dieser Hinsicht nicht ernst, oder sie agiert lieber informell." Krickler bleibt skeptisch, ob die Volkspartei die "Homo-Ehe" auch wirklich umsetzen will.

Als Homosexueller ein lebenslanges Doppelleben führen - ist das heute noch Realität? "Ich habe immer wieder damit zu tun", sagt Dieter Schmutzer und berichtet von seiner Erfahrung als Lebensberater und Sexualpädagoge. Für Jugendliche sei es heute natürlich leichter als für die Generationen davor, sich zu ihrer sexuellen Neigung zu bekennen. Bis Anfang der 70er Jahre war Homosexualität ja noch unter Strafe gestellt. Ein völliges Coming-Out daher kaum möglich. Auch heute erlebt der Lebensberater noch Klienten, die ihr Doppelleben, das Verstecken und Lügen, irgendwann nicht mehr aushalten und endlich zu sich selbst stehen wollen. In den meisten Fällen seien die übergroßen Ängste der Betroffenen unberechtigt, das Umfeld reagiere nicht so negativ, wie erwartet. Dennoch ist laut Schmutzer das innere und äußere Coming-Out für einen Menschen ein schwieriger Prozess. Die Rate von Selbstmordversuchen ist bei homosexuellen Jugendlichen sechsmal höher als bei heterosexuellen. Er gebe auch heute noch Fälle, wo Väter ihre homosexuellen Söhne enterben, berichtet Schmutzer.

"Traumatisch kann die Situation empfunden werden, wenn ein schwuler oder lesbischer Mensch von anderen geoutet, durch Gerüchte quasi gestellt wird. Bei Gerüchten wird immer etwas dazu gedichtet. Schwul sein allein, ist ja nicht berichtenswert," erzählt Schmutzer.

"Besonders schwierig ist das Coming-Out von Männern, die als Pädagogen arbeiten", meint auch Ute Stutzig von der HOSI-Wien. "Homosexuelle werden zu oft nur auf den sexuellen Akt reduziert", verurteilt die Obfrau die Vorurteile, die Homosexuelle in die Nähe von Pädophilie rücken würden. Daher würden sich viele nur teilweise outen, im beruflichen Feld nicht, im Freundeskreis schon. Ebenso ein schwieriger Balanceakt, wie auch Krickler betont. "Es ärgert mich, wenn andere sagen: Ihr Homosexuelle müsst eure Lebensform so an die große Glocke hängen. Das tun wir nicht! Aber wenn zum Beispiel Arbeitskollegen miteinander reden, auch über Privates, soll man dann lügen oder schweigen?"

Das neue Selbstbewusstsein der jüngeren Generation macht auch der 21-jährige Student Patrick Antal deutlich. "Ich stelle mich nicht so vor:, Ich bin Patrick und ich bin schwul.' Das ist meine Privatsache; aber wenn mich wer fragt, antworte ich natürlich:, Ja, ich bin schwul', sagt Antal von der Jugendgruppe der Grazer Schwulen- und Lesbenbewegung der "Rosalila PantherInnen".

"Schimpfwörter kränken"

Zusammen mit seiner Kollegin Janine Zettl (siehe Artikel unten) hat er ein Jugendprojekt erarbeitet, das dieser Tage vorgestellt wird. "Es gibt kein Unterrichtsmaterial, mit dem in Schulen über das Thema gesprochen werden kann", kritisiert er. Das Projekt umfasst einen Kurzfilm, eine Broschüre und ein Plakat zum Thema sexuelle Identität und Liebe und soll das Coming-Out von Jugendlichen erleichtern (ein ähnliches Projekt startete in Wien). "Ich habe kaum negative Erlebnisse gehabt, auch mit kirchlichen Mitarbeitern", berichtet Antal. "Einige Verwandte haben etwas Zeit gebraucht, es zu akzeptieren, bis auch sie gesagt haben: Du bist, wer du bist." Schwieriger sei die Situation im ländlichen Bereich.

Besonders Schimpfwörter würden immer noch sehr kränken, meint wiederum die 18-jährige Maturantin Janine Zettl: "Es passiert doch oft, dass man nur auf sein Lesbisch-sein reduziert wird. Ich habe deshalb auch schon Freundschaften abgebrochen."

www.liebeist.org

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