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Heide Schmidt hat recht: Die Gesellschaft tabuisiert das Sterben. Eine ethische und politische Debatte über den Tod wäre zu führen. Diese Debatte hat öffentlich zu sein, und wenn die Liberalen (wie Schmidt im "Zur Sache spezial" suggerierte) sie in Gang brächten, wären sie zu loben.

Zu loben wäre ferner der "Standard", der sich in der Euthanasiediskussion als Leibblatt der Liberalen geriert, auch er darf sich unter die Tabu-Brecher einreihen: 70 Prozent der Österreicher seien für Sterbehilfe, zitierte das rosa Blatt auf der Titelseite eine eigene Umfrage.

Aufregend wäre diese Zahl, wäre sie eindeutig aussagekräftig. Aber der - notwendigen - "Sterbe"-Diskussion droht ein österreichisches Schicksal: Anstatt in differenzierte Auseinandersetzung einzutreten, reduziert sich die Debatte oft auf: Soll aktive Sterbehilfe legalisiert werden?

Zweifel sind jedoch angebracht, ob im öffentlichen Diskurs klar ist, was "Sterbehilfe" meint, was dagegen "Sterbebegleitung" heißt, oder was "aktive Sterbehilfe" im Gegensatz zur "Einschränkung von ,lebensverlängernden Maßnahmen um jeden Preis'" bedeutet. Bevor diese Begrifflichkeiten nicht plausibel kommuniziert werden, sollten sich politische Akteure und Medien zurückhalten - und jedenfalls nicht mit vereinfachenden Umfragen und Zahlen operieren.

Unbestritten ist: Es bedarf qualifizierter Auseinandersetzung über Leben und Tod. Aber auch: Viele der Antworten werden nicht eindeutig sein. Wer etwa glaubt, jene rechtliche Grauzone, in der sich Ärzte, die mit einem zu Ende gehenden Leben konfrontiert sind, zwischen passivem Sterbenlassen und aktivem Töten befinden, würde durch ein Legalisieren der Sterbehilfe verschwinden, dürfte sich gründlich täuschen.

Und zur Diskussion ums Lebensende gehört, die Möglichkeiten von Schmerztherapie oder den Hospizgedanken adäquat bekanntzumachen. Es ist entlarvend, daß sich - trotz jahrelanger rühriger Bemühungen der Hospizbewegung - Politik und Medien erst anläßlich des Euthanasiethemas darauf besinnen.

Dafür, daß auch Heide Schmidt sich brüstet, durch die Euthanasiediskussion auf Sterbebegleitung und Schmerztherapie aufmerksam zu machen, gebührt ihr wahrlich kein Lob.

So zu argumentieren ist kein gebotener Tabubruch. Sondern Chuzpe.

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