Von der Freyzeyt zur Freizeit

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Die Geschichte der Freizeit ist rund 200 Jahre alt.

Die Industrielle Revolution ist an allem schuld. Fein säuberlich trennte der technologische Fortschritt die arbeitsamen Stunden an der Maschine, dem Fließband oder im Büro vom Rest des Tages. Gespielt, philosophiert, vergnügt oder erholt wurde anderswo. Das war Ende des 18. Jahrhunderts. Es war die Geburtsstunde der modernen Freizeit als erholsamer Gegenpol zum damals 16-stündigen Arbeitstag.

Zuvor war alles anders. Als es noch keine täglichen Fabriksarbeitspläne gab, richtete sich das Wechselspiel von Arbeit und Muße nach den Jahreszeiten, dem Tageslicht sowie den religiösen und weltlichen Festtagen. Arbeit und Freizeit gingen fließend ineinander über. Erst das künstliche, immer einsatzbereite Licht der Werkshallen schuf nach und nach die freizeitpolitisch bedeutendsten Errungenschaften der Arbeiterbewegung: den Urlaub und die 38-Stunden-Woche.

Eine Entwicklung, die manche kritisch sehen. "Die Industrielle Revolution war eine Entgleisung der Evolution", sagt der Freizeitforscher Peter Zellmann, "die 3000-jährige Menschheitsgeschichte zeigt, dass wir immer dann am glücklichsten sind, wenn Arbeits- und Freizeit sinnvoll von uns selbst eingeteilt werden können." Freizeit als eine Form der ganzheitlichen Muße.

Das Wort selbst ist bis in das Jahr 1350 belegt. Das Mittelhochdeutsche "freyzeyt" stand damals für eine fehdefreie Zeit, die an Markttagen ausgerufen wurde. Dieses Sittengesetz schuf so den Rahmen, in dem die Menschen auf den Märkten tauschen, feiern und Spaß haben konnten. Den Namen der vergnügsamen Marktzeit übernahm man Jahrhunderte später für die eigenen friedlichen und arbeitsfreien Stunden.

Arbeitszeitverkürzungen und die gesteigerte Lebenserwartung haben den Anteil der Freizeit an der Lebenszeit seit der Industriellen Revolution auf etwas mehr als die Hälfte wachsen lassen. Vom moralisierenden Bürgertum des frühindustriellen Englands bis zur Freizeitpädagogik der 1920er Jahre versuchten seither verschiedenste gesellschaftliche Schichten, die Freizeitgestaltung der Staatsbürger zu beeinflussen. "Das hat viel kaputt gemacht", sagt Zellmann, "jeder muss selbst bestimmen können, was er in seiner Freizeit macht, damit er glücklich werden kann."

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