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Eine ganze Region vor der Stabilisierung

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Mit Mosambik soll ein weiterer Staat im südlichen Afrika befriedet werden. Marijana Grandits von den Grünen beobachtete die Wahlkampagne.

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Mit Mosambik soll ein weiterer Staat im südlichen Afrika befriedet werden. Marijana Grandits von den Grünen beobachtete die Wahlkampagne.

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Zuerst das Positive: bereits 80 Prozent der etwa 8,5 Millionen Wahlberechtigten in Mosambik haben sich seit 1. Juni für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 27. und 28. Oktober registrieren lassen. Das ist für ein „wirtschaftlich, politisch, sozial und moralisch kaputtes Land“ — so Marijana Grandits zur FURCHE — eine großartige Leistung, die umso beachtlicher ist, als die Wahlkampagne einhergeht mit der Repatriierung Zehntausender Flüchtlinge aus den umliegenden Staaten. Die unvorstellbare Nord-Süd-Ausdehnung Mosambiks von dreieinhalbtausend Kilometern bot zusätzlich keine ideale Ausgangsbasis für einen Neubeginn in einem Land, das von einem typischen Stellvertreterkrieg (für Südafrika und die darn al i« ge Sowjetunion) vernichtet wurde.

Trotz schlimmster. Greueltaten konnte Grandits keine Rachegefühle bemerken: „Ich frage mich, ob das ein afrikanisches Phänomen ist, daß nach so vielen Toten und so vielen Unmenschlichkeiten die Täter nach uralten Reinigungsritualen wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen werden und ihnen dann kein Haß mehr entgegenschlägt.“

Erfolgreich dürfte auch die Repatriierung verlaufen: die Flüchtlinge gehen tatsächlich mit Hab und Gut nach Mosambik zurück, lediglich aus Südafrika, wohin mehr als 250.000 geflüchtet waren, kehrten erst 30.000 nach Hause; das mag seinen Grund darin haben, daß die Emigranten in Südafrika bessere Lebens- Verhältnisse vorfanden als anderswo. Die Rückkehrer aus Simbabwe und Südafrika bringen in ihre alte Heimat ganz neue Lebenserfahrungen mit: das beginnt schon damit, daß sie materiell besser gestellt sind als die Mosambiker. Viele Menschen in Mosambik lernen erst jetzt über die Repatriierten ein Fahrrad kennen. Die Rückkehrer bekommen Saatgut, Werkzeug und Nahrungsmittel für einen Monat zur Verfügung gestellt. Bei manchen Familien kehrt der Mann, nachdem er die Benefizien als Repatriierter in Anspruch genommen hat, wieder als Gastarbeiter nach Südfarika zurück.

Ein großes Problem sind Versuche von RENAMO, als selbsternannter Benachteiligter, die Wahlkampagne und den politischen Neubeginn, der auch eine Demobilisierung von Regierungssoldaten und RENAMO- Kämpfern und die Abgabe von Waffen vorsieht, zu hintertreiben. RENAMO will beispielsweise mehr Geld und die EU wäre sogar bereit, die geforderten fünf Millionen Dollar zu bezahlen, um die Wahlen nicht buchstäblich ins Wasser fallen zu lassen (im November beginnt nämlich die Regenzeit in Mosambik, Wahlen wären aufgrund der Unpassierbarkeit der Straßen völlig ausgeschlossen); Grandits wendet sich gegen diesen Erpressungsversuch von RENAMO und könnte verstehen, wenn die Geduld der internationalen Gemeinschaft ein Ende hätte.

Die Demobilisierung ist, wie Grandits berichtet, im Gegensatz zur Repatriierung nicht gelungen. Die UNO habe den Prozeß zu lange verzögert, so konnten Waffen und Soldaten zurückgehalten werden, der Waffenschmuggel mit Südafrika ist gigantisch. Die neue Armee, die zu je 15.000 Mann aus FRELIMO- und RENAMO-Kämpfern gebildet werden soll, steht nur auf dem Papier - zudem herrscht ein Identitätsmanko, niemand weiß, wofür die neue Armee steht. Der Polizei und einer schnellen Eingreiftruppe wird von RENAMO vorgehalten, daß sie von der FRELIMO kontrolliert seien.

MILLIONEN MINEN

Stark kritisiert Marijana Grandits das Verhalten der UNO bei der Entminung des Landes. Ungefähr fünf Millionen Minen wurden 16 Jahre lang um die Dörfer gelegt. Die Entminung wird Jahrzehnte dauern, eine österreichische Firma ist daran beteiligt. „Eine Schweinerei“ stellt für’Grandits die Beteiligung jener südafrikanischen Firma durch die UNO am Entminen dar, die seinerzeit den Guerrilleros in Mosambik Minen verkauft hatte.

Frauen spielen bei der Wahlausbildung eine bedeutende Rolle, so Grandits. Mit Tänzen, Liedern und Stegreifrollenspielen bringen sie in den Dörfern ihren Geschlechtsgenossinnen nahe, was wählen bedeutet. Dabei werden sie oft mit dem Unverständnis von alten Frauen konfrontiert, für die ein Herrscher selbstverständlich in einem Sohn einen Machtnachfolger (der nicht gewählt wird) haben muß. Im Süden des Landes herrscht pures Patriarchat, der Norden kennt matrilineare Strukturen.

Für viele Frauen in Mosambik bedeutet wählen die Erfahrung der Eigenständigkeit: sie sind stolz darauf, daß sie in der Wahlzelle allein entscheiden können und sie dabei niemand einschüchtern darf.

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