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Giovanni Giuliani, der Meister der Verselbständigung der Skulptur, im Wiener Liechtenstein Museum.

Spricht der Heiligenkreuzer Abt Gregor Henkel-Donnersmarck von den monumentalen Holzplastiken Giovanni Giulianis, so beginnen seine Augen zu leuchten. Giulianis Figurengruppen "Maria Magdalena trocknet Christus mit ihrem Haar die Füße" und "Christus wäscht Petrus die Füße", die eigentlich im so genannten Fußwaschungsgang des Stiftes stehen, sind für ihn Skulpturen, vor denen man beten kann. Anbetungswürdig waren Giulianis Skulpturen bereits für Generationen von Bildhauern. Allerdings nicht aufgrund ihres religiösen Inhaltes, sondern aufgrund ihrer bildhauerisch-handwerklichen Qualität. Wenn auch hierzulande nicht so berühmt wie sein Schüler Raphael Donner, so gilt Giovanni Giuliani als Meister des Dreidimensionalen, als Mittler zwischen dem italienischen Hochbarock und den skulpturalen Entwicklungen in Wien. Giulianis Arbeiten faszinieren durch ihre dramatische Bewegtheit, die weiche Modellierung und die Betonung des Psychischen bei der Figurengestaltung.

Vorreiter des 20. Jahrhunderts

Der 1664 in Venedig als Sohn eines Bäckers geborene Bildhauer hat dazu beigetragen, dass sich die Skulptur aus dem architektonischen Zusammenhang löste und zunehmend verselbständigte. Seine Plastiken, besonders die kleinformatigen Tonentwürfe sind ungemein locker modelliert - sie wirken nahezu malerisch. Von der Schwere, die man gemeinhin mit Bildhauerei verbindet, ist hier nichts zu spüren. Manche der Objekte erscheinen durch die sinnliche Oberflächengestaltung und die starke Ausdruckskraft als barocke Vorreiter bildhauerischer Tendenzen des 20. Jahrhunderts. Sie erinnern etwa an die Skizzenhaftigkeit eines Medardo Rosso oder die Expressivität eines Auguste Rodin.

Heiligenkreuz war wegen der dort beheimateten Giuliani-Sammlung seit jeher ein Pilger-Ort für Freunde der Barockskulptur. Welche Kostbarkeiten in dem Kloster verborgen sind, davon kann sich jetzt ein breites Publikum im Liechtenstein Museum überzeugen. Denn hier gibt es erstmals eine große Werkschau Giulianis zu sehen, die in Kooperation mit dem Stift Heiligenkreuz entstanden ist. Zahlreiche Tonentwürfe (Bozzetti) aus der Sammlung des Stiftes wurden eigens dafür restauriert.

Vom Fürstenhof ins Kloster

Die Familie Liechtenstein und das Stift Heiligenkreuz stehen in enger biografischer Beziehung zu Giovanni Giuliani. Dieser kam nach einer Bildhauerausbildung in Venedig und Bologna und einem zehnjährigen Aufenthalt in München 1690 nach Wien. Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein wurde bald zu seinem wichtigsten Auftraggeber. Giuliani schuf den Skulpturenschmuck für das Innenstadtpalais der Liechtensteins in der Bankgasse, zugleich stattete er die Gartenanlage in der Rossau und das von Fischer von Erlach erbaute Stallgebäude in Eisgrub mit Skulpturen aus. Im Palais des Fürsten in der Bankgasse hatte Giuliani auch seine Werkstatt, die er allerdings 1711 aufgab, um ins Kloster Heiligenkreuz als "Familiaris" einzutreten. Grund für den Rückzug ins Stift war ein Rosenkrieg und eine damit verbundene Verschuldung. Heiligenkreuz war für Giuliani allerdings bereits vor seinem Eintritt ein wichtiger Ort, denn seit 1694 gestaltete er das Stift entscheidend mit, indem er den Hochaltar, die beiden Seitenaltäre und das Chorgestühl skulptural ausschmückte. Bei seinem Eintritt unterschrieb Giuliani, dass er zeitlebens dem "closter mit seiner kunst und hard arbeit" dienen werde. Ein seltener Glücksfall für die Zisterzienser. Giuliani schien das Leben im Kloster so gut zu tun, dass er noch 33 Jahre dort lebte und das Stift durch zahlreiche Aufträge wie die monumentale Dreifaltigkeitssäule und den Josefsbrunnen bereicherte.

Entwurf und Ausführung

Nach Giulianis Tod 1744 erbte das Kloster den gesamten Nachlass, unter anderem eine in der europäischen Barockskulptur einzigartige Sammlung von über 140 Ton-Bozzetti, die auch den Kern der Schau im Liechtenstein Museum bilden. Diese großteils in der Bibliothek des Palais gezeigten Entwürfe sind insofern bedeutsam, als man an ihnen die Ideenfindung und den spontanen Entwurfsprozess nachvollziehen kann. Besonders spannend ist die Gegenüberstellung von den monumentalen Skulpturen und den dazugehörigen Entwürfen in den drei unteren Galerieräumen. So berührt Maria Magdalena Christus im Entwurf der Fußwaschungsszene am Knie mit ihrem Ellbogen. In der späteren Holzausführung herrscht mehr Distanz vor, die beiden Figuren berühren sich nicht mehr. Ob Giuliani die Figuren auseinander rückte, um eine größere Raumausdehnung zu erreichen oder ob vielleicht doch inhaltlich theologische Gründe dafür verantwortlich waren, bleibt dahingestellt.

Die Ausstellung wartet mit einem weiteren Highlight auf. In einem Shuttlebus werden die Besucher ins Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse geführt, um das Treppenhaus mit den Giuliani-Skulpturen besichtigen zu können. Die Öffnung des Stadtpalais gibt einen Vorgeschmack auf weitere Vorhaben. Möglicherweise wird nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten 2009 in der Bankgasse ein weiteres Liechtenstein Museum eröffnet.

Giovanni Giuliani

1664-1744

Liechtenstein Museum

Fürstengasse 1, 1090 Wien

Bis 2. Oktober Mi-Mo 9-20 Uhr

www.liechtensteinmuseum.at.

Katalog in zwei Bänden

inkl. Schuber: e 59,-

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