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Zum 100. Bloomsday am 16. Juni: Der Jahrhundert-Roman von James Joyce in der zeitgenössischen Kunst Eine überzeugende Ausstellung der Österreichischen Galerie Belvedere im Atelier Augarten.

Vergiss den 16. Juni 1983 nicht", hat die österreichische Künstlerin Birgit Jürgenssen auf eine Zeichnung notiert. Zu sehen sind zwei Männer in Rückenansicht mit Hüten und Mänteln, durch die braune Farbigkeit und die altmodische Kleidung wirken sie wie Versatzstücke einer vergangenen Zeit. Der amerikanische Zeichner Raymond Pettibon wiederum ist stolz darauf, an einem 16. Juni geboren zu sein. Was hat es mit diesem Datum auf sich?

16.6. 1904: Ein Tag in Dublin

Die meisten Menschen werden mit diesem Frühsommertag nichts Außergewöhnliches verbinden. James-Joyce-Fans bekommen jedoch leuchtende Augen, wenn vom 16. Juni die Rede ist. Besonders heuer. Denn da jährt sich der "Bloomsday" zum hundertsten Mal - ein Grund, den großen Schriftsteller und seinen Jahrhundertroman auf der ganzen Welt mit Events, Lesungen und Ausstellungen zu feiern. An einem einzigen Kalendertag, dem 16. Juni 1904, ließ James Joyce seinen Roman "Ulysses" spielen. Von acht Uhr morgens bis weit nach Mitternacht verfolgt der Leser dieses Literaturklassikers den Anzeigenagenten des "Freeman's Journal" Leopold Bloom, seine Frau Molly und den jungen Lehrer und Schriftsteller Stephen Dedalus auf ihrer Odyssee durch Dublin. Das in 18 Kapitel gegliederte Buch, von denen jedes einen anderen literarischen Stil zitiert, avancierte aufgrund seiner neuartigen Erzähltechnik, dem vielschichtigen Aufbau, der exemplarischen Zeitbehandlung, der Motiv- und Symbolfülle zu einem der einflussreichsten Werke der Weltliteratur (siehe auch Seite 16).

Der Erfolg stellt sich bald ein, obwohl oder gerade weil der "Ulysses" seit dem Jahr seiner Veröffentlichung 1922 aufgrund der ungeschminkten, offenen Thematisierung von Sexualität und der Verwendung von fäkalsprachlichen Ausdrücken in Großbritannien und den USA für viele Jahre verboten war.

Kein bebilderter Roman

Sehr bald haben sich auch bildende Künstler für den "Ulysses" zu interessieren begonnen. Allerdings sind sie meist an der versuchten Umsetzung dieses komplexen Buches in die Bildersprache gescheitert. Einer Anekdote nach soll etwa Henri Matisse den Auftrag bekommen haben, eine "Ulysses"-Ausgabe zu illustrieren, allerdings fertigte er Zeichnungen zur "Odyssee" des Homer an, was James Joyce zutiefst enttäuscht hat. Ob der französische Malerstar an der Lektüre des 700 Seiten Schmökers oder an der Schwierigkeit der Übertragbarkeit dieses innovativen Werks in Bilder scheiterte, ist nicht bekannt. Es zeigt aber eines deutlich: Gerade ein literarisch so revolutionäres Werk kann nur in die Schwesterdisziplin bildende Kunst übersetzt werden, wenn Künstler nicht versuchen, sich sklavisch an Handlungen oder Personen zu klammern, stattdessen aber auf assoziativer Ebene mit der Literatur einen Dialog aufnehmen.

Dass es sehr wohl möglich ist, auf komplexe Weise dem "Ulysses" mit dem Zeichenrepertoire der bildenden Kunst zu begegnen, zeigt eine Ausstellung anlässlich des Jubiläums im Atelier Augarten des Belvedere. Initiiert wurde die Schau vom Kurator für zeitgenössische Kunst im Belvedere, Thomas Trummer, der selbst von Jugend an "Ulysses"-Anhänger ist. Das Herausragende an dieser Ausstellung ist, dass es sich eben nicht um eine literaturwissenschaftliche Schau handelt, in der - wie häufig der Fall -, Zeichnungen und Bilder lediglich zur Illustration des Textes dienen. Vielmehr fragt die Ausstellung sehr fundiert nach den Möglichkeiten der Übersetzbarkeit einer literarischen Vorlage in bildende Kunst.

Arbeiten für die Ausstellung

Bis auf wenige Exponate, etwa Zeichnungen von Joseph Beuys, sind die meisten Objekte Auftragsarbeiten, die speziell für die Ausstellung entstanden sind. Wie sehr dieses Thema Anklang unter zeitgenössischen Künstlern findet, unterstreicht die Tatsache, dass im Laufe der Konzeption sich immer mehr internationale Künstler meldeten, die gerne beteiligt sein wollten. Auf ganz unterschiedliche Weise und in vielfältigen Medien (Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Collage, Video, Klanginstallation) haben die Künstler auf den "Ulysses" reagiert. Lawrence Weiner kommentiert den Roman mit einer wandfüllenden Sprachinstallation, Jonathan Monk nimmt in dem Video "The Distance between Me and You" auf das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit Bezug, während Julius Deutschbauer und Gerhard Spring dem Besucher unter dem Titel "Twolysses" eine vereinfachte medialisierte Form des komplexen Werkes in Form eines interaktiven Theater-Karaokes anbieten. Anhand von Inserts auf einem Bildschirm und einem Mikrofon lässt sich der Roman hier spielerisch erarbeiten.

Die Ausstellung gehört sicherlich zu den gelungensten Themenausstellungen zeitgenössischer Kunst, die in letzter Zeit in Wien zu sehen waren. Allerdings werden besonders "Ulysses"-Kenner und an neuerster Kunst Interessierte daran Gefallen finden. Für alle anderen bietet sich der ausgesprochen bibliophile Katalog mit einer Kurzfassung aller 18 Kapitel des "Ulysses" als Einstiegsmöglichkeit an. Schließlich weist auch die Schau darauf hin, dass es keine Schande ist, dieses Stück Weltliteratur nicht gelesen zu haben. James Joyce' Roman wird - wie die "Bibliothek ungelesener Bücher" von Julius Deutschbauer humorvoll zeigt - das Schicksal des noch nicht gelesenen oder wieder zur Seite gelegten Buches allzu oft zuteil.

ULYSSES - Die unausweichliche

Modalität des Sichtbaren

Atelier Augarten,

Scherzergasse 1a, 1020 Wien,

Bis 15. August Di-So 10-18 Uhr.

www.belvedere.at

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