6924376-1982_05_12.jpg

James Joyce: Odysseus der Sprache

19451960198020002020

Ein Schriftsteller der Literaten ist James Joyce geblieben, aber sein Werk wirkt weiter und beeinflußt maßgebend die Entwicklung der modernen Literatur.

19451960198020002020

Ein Schriftsteller der Literaten ist James Joyce geblieben, aber sein Werk wirkt weiter und beeinflußt maßgebend die Entwicklung der modernen Literatur.

Werbung
Werbung
Werbung

Ulysses (1922) ist wohl das populärste Buch der Moderne. Ob es auch gründlich gelesen wird, muß dahingestellt bleiben. Dieser Sachverhalt erinnert an Musils „Mann ohne Eigenschaften" - Monolithen, die man bewundert, die man wissenschaftlich erforscht. Als Lektüre dringen sie nur mühsam in die Gehirne der Leser.

Joycianern wie Fritz Senn, Klaus Reichert und Hans Wollschläger (der in achtjähriger Arbeit den „Ulysses" für die neue Frankfurter Ausgabe neu und kongenial übersetzte) ist es zu verdanken, daß der Meister nicht nur als Schilderer des „Weltalltags", sondern vor allem als Sprachmagier angesehen werden muß. Trotz seines Sittenbildromans über Dublin ist Joyce nicht Romancier, sondern Dichter, nicht Erzähler, sondern Wort-Künstler - seine Odyssee findet in der Sprache statt.

Finden sich im Ulysses noch Reste eines vermeintlichen „Oberflächennaturalismus", so ist im „Finnegans Wake" (1939) der Abbildcharakter der Sprache gänzlich ihrer Mythisierung gewichen. Hier beginnen sich auch die Geister zu scheiden. Stanislaus Joyce, der Bruder des Dichters, sprach dabei von der „Bibel der Kreuzworträtselsüchtigen", und auch viele andere Bewunderer verweigerten die Gefolgschaft. Im „Ulysses" war noch das Gerüst einer Wirklichkeit spürbar, im „Finnegan" aber hatte Joyce, wie er selbst sagt, „die Sprache schlafen gelegt".

Auf ein Tagbuch folgte das Nachtstück. Hermann Broch, der zum 50. Geburtstag von Joyce einen bekannt gewordenen Vortrag hielt, sah sich trotz seiner kritischen Bewunderung nicht gerne als „österreichischer Joyce" tituliert und distanzierte sich von der Esoterik des Iren. Im Gegensatz zu ihm forderte er auch eine „ethische Komponente", auch wenn das Vorhandensein eines künstlerischen Werkes dieser Dimension bereits ethisch wertvoll sei.

Robert Musil betonte 1940 den absoluten Sprachcharakter des Joyceschen Werkes und nannte es ein „Wiederanstimmen des Urgesangs". Während einige Untersuchungen Schlüssel für die dramatisch-symbolischen Handlungsfäden und Bezüge zu liefern gedachten, war es vor allem der Essay „Das Buch Jedermann" von Arno Schmidt (erschienen zum 25. Todestag von Joyce), der anhand der „Theorie der Wortkeime" (Etyms) das Sprachverfahren aufzuhellen begann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung