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Diplomaten erzahlen

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Man sagt Diplomaten manchmal nach, daß ihre Erinnerungen mehr von Einladungen und anderen gesellschaftlichen Anlässen als von weltpolitischen Ereignissen erzählen. Woraus dann leicht der Schluß gezogen wird, daß sie nur an den ersteren beteiligt gewesen seien. Aber erstens steht über die amtlichen Vorgänge ohnedies genug in den Farbbüchern und Akten, und zweitens hat man in diesem Beruf die Gepflogenheit, nicht alles mit vernichtendem Ernst zu traktieren. Und schließlich soll ein Diplomat Menschenkenner und Beobachter sein, und wie sollte er da nicht von den Menschen erzählen, die er kennengelernt hatte? Der italienische Botschafter Pietro Q u a r o n i berichtet in „Diplomaten unter sich“ (Heinrich-Scheffler-Verlag, Frankfurt, 210 Seiten, Preis 12.80 DM) von den persönlichen Begegnungen, die er vor allem in Moskau hatte. Es gelingen ihm da wahre Kabinettstücke an Charakterisierung, wie etwa das Porträt des deutschen Botschafters Graf Bröckdorff-Rantzau. Quaroni hat die alte Garde des Bolschewismus: Lunatscharski, Tschitscherin, Litwi-now, Trotzki — dann Beria, Dekanosow, Maiski — gekannt, manche in der Zeit des Glanzes, wie nachher, als ihr Stern sank. Von Interesse mag hier die Zitierung der Aeußerung eines sowjetischen Prominenten über die Methode der Liquidierung der Kapitalistenklasse sein: „Wir nahmen das Moskauer Telephonbuch aus der Zeit vor der Revolution in die Hand. Wer 1914 ein Telephon hatte, war ein Bourgeois Wir sahen nach, wie viele von diesen noch auf freiem Fuße waren und haben ungefähr die Hälfte davon verhaftet“ (S. 71). Das Buch kann manche psychologischen Rätsel um die Männer im Kreml entschlüsseln helfen. Anders Daniele V a r e in „Die Schatten der spanischen Stiege“ (Heinrich-Scheffler-Verlag, 284 Seiten, Preis 12.80 DM). Hier ruht ein lebenskundiger Mann von seinen weiten Fahrten aus, indem er die Miniaturen jener Menschen zeichnet, deren Gedenken für ihn mit der Spanischen Stiege in Rom in einem Konnex steht. Es sind unbeschwerte, leicht hingezeichnete Skizzen eines Autors von hoher persönlicher Kultur.

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